Silicon Jungle

ausgeprägtes Faible und Verständnis für Technologie. Sehr zur Freude der Beschäftigten widmete er den überwiegenden Teil seiner Präsentationen neuen Errungenschaften, wobei er immer diejenigen aussuchte, die ihn persönlich am meisten faszinierten. Es blieb dann Aufgabe der ihm untergeordneten Vice Presidents, den Mitarbeitern, die nicht ausdrücklich erwähnt wurden, zu versichern, dass auch ihre Projekte für das Unternehmen von großer Bedeutung waren.
    »Bevor ich auf das Thema zu sprechen komme, das ich eigentlich für heute geplant hatte … Wie ich soeben erfahren habe, konnten wir bei der Zahl von Servern, die wir weltweit laufen haben, einen weiteren Meilenstein erreichen. Gestern wurde die 3 700 000-Marke erreicht. Das ist eine gute Nachricht – aber das war gestern. Heute wurde ich darüber informiert, dass wir trotzdem binnen drei Jahren mit einem ernsthaften Engpass rechnen müssen. Angenommen, wir wachsen weiter wie erwartet, dann werden wir mehr Daten, mehr User und mehr Dienste haben, als wir derzeit bewältigen können. Allein um Schritt zu halten, müssten wir die Rechnerzahl enorm erhöhen. Entweder das, oder ihr alle werdet mit Algorithmen aufwarten müssen, die unsere Daten effizienter durchforsten. Denkt darüber nach, ihr angehenden Stars, das Beste, was ihr für uns tun könnt, ist, uns weiter nach oben zu bringen. Vergesst das nicht! … Nun aber lasst uns unserem Team gratulieren, das die stärkste Computerwolke der Welt geschaffen hat. Glückwunsch an alle!«
    Die gesamte Zuhörerschaft erhob sich zu einem donnernden Applaus. Die Leistung dieser Rechner machten ihre Forschung und die Entwicklung neuer Produkte möglich. Und was wäre dieser Informatikerspielplatz denn ohne all die schönen Spielsachen?
    »Wir haben noch mehr gute Nachrichten. Trotz des immensen Drucks seitens unserer Konkurrenz im In- und Ausland konnten wir auf nahezu jedem Markt, den wir im laufenden Quartal anvisiert haben, Marktanteile gewinnen. Ich möchte vor allem unserem Team in Beijing gratulieren. Sie haben unsere Prognosen weit übertroffen und Ubatoo geschickt zur meist besuchten Website in ganz China gemacht.« Eine Telekonferenz mit dem Büro in China wurde auf die Leinwand geschaltet, ein Raum voller lächelnder Mitarbeiter – ein Meer aus dunklem Haar und ordentlich gebügelten weißen Hemden. Sie winkten und jubelten fröhlich in die Kamera.
    Als der höfliche Applaus verebbte, fuhr Xiao fort: »Eine unserer wichtigsten neuen Initiativen haben wir über unser Londoner Büro gestartet. Im Rahmen einer Partnerschaft mit der britischen Polizei.« Die Gesichter der glücklichen Beschäftigten in China wichen einer Gruppe von zerzausten Informatikern im Londoner Büro – sie winkten genauso fröhlich wie ihre chinesischen Kollegen.
    »Nach monatelangen Verhandlungen erhalten wir endlich die ersten Live-Video-Feeds von den Überwachungskameras, die an vielen Straßenkreuzungen in London montiert sind. Wie einige von Ihnen vielleicht wissen, laufen diese Kameras Tag und Nacht, die Bilder können live von Personen innerhalb und außerhalb der Polizeikräfte abgerufen werden.«
    Auf der Leinwand liefen jetzt sechzehn Videos.
    »Was Sie hier sehen, sind Video-Feeds, die wir archiviert haben und die jetzt gerade von unseren Servern abgespielt werden. Laut eines Vertrags, den wir soeben abgeschlossen haben, sind wir für die Speicherung der Videobilder zahlreicher Kameras in London zuständig. Aber noch viel wichtiger als die Speicherung der Daten ist für uns das, was wir mit diesem Bildmaterial machen werden. Wir werden die Tools herstellen, mit denen sich die Videos automatisch analysieren lassen. Wir starten eine große Forschungsinitiative, um herauszufinden, inwieweit sich die Entdeckungen unserer Computer-Vision-Gruppe auf diese Videos anwenden lassen. Wenn alles gut läuft, haben wir in drei Jahren Zugriff auf sämtliche Video-Feeds und können auch verdächtige Offline-Aktivitäten ausmachen und Kriminelle aufspüren – na ja, zumindest in London! Falls Sie Kollegen kennen, die im Bereich Computer-Vision Arbeit suchen – jetzt ist es Zeit, sich zu bewerben. Wir werden diese Gruppe aggressiv ausbauen. Doch einstweilen möchte ich mich persönlich beim Londoner Team bedanken. Ihr habt für Ubatoo ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Gut gemacht.«
    Der Applaus dauerte eine volle Minute. Dann sprach Xiao weiter: »Wir hatten gehofft, dieselbe Art von Video-Feeds auch von allen amerikanischen