Silo: Roman (German Edition)
Wehr setzen wird, sobald wir die
Kontrolle über seine Stockwerke haben.«
»Sehe ich auch so«,
sagte Knox. Es fühlte sich gut an, einen Plan zu haben. Und eine Verbündete.
»Danke.«
McLain lächelte.
»Für einen Mechaniker halten Sie wirklich gute Reden«, sagte sie. »Und
außerdem«, sie nickte in Richtung des Hundes, »mag Jackson Sie, und der irrt
sich selten. Nicht bei Männern.«
Knox sah hinunter
und merkte, dass er den Köter immer noch streichelte. Er zog die Hand weg und
sah, wie das Tier hechelnd zu ihm aufschaute. Im Nebenzimmer lachte jemand über
einen Witz, die Stimmen seiner Mechaniker mischten sich mit denen der Leute aus
der Versorgung und drangen gedämpft durch die Tür. Unter das Gelächter mischte
sich der Klang der Stahlstangen, die in Form gebogen wurden, der flachen
Werkstücke, die geschärft wurden, der Maschinen, die eigentlich Nieten
herstellen sollten und jetzt Kugeln produzierten. Und Knox wusste, was McLain
mit der Loyalität gemeint hatte. Er sah es in den Augen des dummen Hundes, dass
er alles tun würde, wenn er ihn darum bäte. Und dieses Gewicht lastete schwer
auf seiner Brust: dass so viele Menschen genauso für ihn und McLain empfanden – Knox fand, das war die schwerste Last von allen.
44. KAPITEL
»Hier
pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner!«
Von
der Farm wehte der schwere Geruch von frischem Kompost herauf. Juliette war
noch nicht ganz wach, als sie zum nächsten Stockwerk hinunterstieg und den Duft
bemerkte. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte – es fühlte
sich an, als wären es Tage, es konnten aber auch nur ein paar Stunden gewesen
sein. Sie war mit dem Gesicht auf dem Gitter aufgewacht, das Muster auf ihrer
Wange, und sie war sofort weitergegangen. Ihr Magen knurrte, der Gedanke an die
Farm trieb sie weiter. Auf dem Achtundzwanzigsten war der Geruch so intensiv,
dass sie das Gefühl hatte, sie könne darin schwimmen. Es war der Geruch des
Todes. Der Geruch von Beerdigungen. Von umgepflügtem Lehmboden, der die
würzigen Moleküle in die Luft entließ.
Im Dreißigsten
machte sie halt – bei der Hydrokulturfarm – und öffnete die Tür. Drinnen war es
dunkel. Vom Flur kam ein leises Geräusch, das Schwirren eines Ventilators oder
eines Motors. Das war eigenartig, dieses kleine Geräusch. Seit mehr als einem
Tag hatte sie nur ihre eigenen Geräusche gehört. Der grüne Schimmer der
Notbeleuchtung im Treppenhaus war kaum ein Trost, sondern wirkte eher wie die
Restwärme eines sterbenden Körpers. Aber hier bewegte sich etwas, da war
ein Geräusch, das nicht von ihr kam, irgendetwas lauerte tief in den dunklen
Gängen der Hydrokulturfarm.
Wieder ließ sie ihr
einziges Werkzeug, ihre einzige Waffe als Türstopper zurück, um zumindest ein
bisschen Licht hereinzulassen. Sie schlich über den Flur, der Geruch war nicht
ganz so intensiv wie im Treppenhaus, sie tastete sich vorsichtig mit einer Hand
an der Wand entlang. Die Büros und der Empfangsbereich waren dunkel und still,
die Luft trocken. Am Drehkreuz blinkte kein Licht, und sie hatte keine Karte
und keine Wertmarke, um sich hindurchzulassen. Sie sprang darüber, und
irgendwie hatte diese kleine Aktion etwas Trotziges, als hätte sie die
Gesetzlosigkeit dieses Orts akzeptiert, die vollkommene Abwesenheit jeder
Zivilisation und sämtlicher Regeln.
Das Licht aus dem
Treppenhaus drang kaum bis zum ersten Beet. Sie wartete, bis ihre Augen sich an
die Dunkelheit gewöhnt hatten, eine Fähigkeit, die sie in den tiefsten Tiefen
der Mechanik und im Bauch der riesigen Maschinen erworben hatte und für die sie
jetzt dankbar war. Was sie erkennen konnte, als sie schließlich etwas sah,
machte ihr nicht gerade Mut. Die Hydrokulturgärten waren verrottet. Dicke
Stängel hingen wie Seile hier und dort an einem Gewirr aus aufgehängten Rohren
herab. Sie bekam eine Vorstellung davon, wie lange die Farm beziehungsweise der
Silo schon verlassen war. Noch nicht seit Jahrhunderten, aber auch nicht erst
seit ein paar Tagen. Seltsamerweise fühlte sich selbst diese Erkenntnis an wie
eine wertvolle Information, wie der erste Schlüssel zu einer Antwort auf die
vielen Fragen, die sich Juliette stellten.
Sie klopfte an eines
der Rohre, und es klang gefüllt.
Keine Pflanzen, aber
Wasser! Ihr Mund schien allein beim Gedanken daran noch weiter auszutrocknen.
Juliette beugte sich über das Geländer in den Gewächsraum. Sie presste den Mund
auf ein Loch in einem der Rohre, wo eigentlich eine Pflanze
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