Silo: Roman (German Edition)
Stangen geraten und kam sich ziemlich dämlich
vor.
»Blödes Ding, wegen
dir hätte ich fast einen Herzinfarkt bekommen«, sagte sie zu dem Gerät. Sie
ließ das Drehkreuz hinter sich und tastete sich weiter zum Ausgang, eine Hand
an der Wand, die andere vor sich ausgestreckt. Juliette überlegte, ob sie sich
daran gewöhnen würde, mit den Dingen zu sprechen, ob sie verrückt werden würde.
In der Dunkelheit ging ihr auf, unter was für einer emotionalen Dauerspannung
sie stand. Gestern hatte sie sich damit abgefunden zu sterben, heute hatte sie
Angst, verrückt zu werden.
Was schon mal eine
Verbesserung war.
Schließlich stieß
ihre Hand gegen die Tür, und Juliette schob sie auf. Sie schimpfte über den
Verlust des Messers, es steckte jedenfalls nicht mehr im Gitter. Sie überlegte,
wie tief es wohl gefallen sein könnte, ob sie es je wiederfinden würde oder
sich um einen Ersatz kümmern müsste. Dann wandte sie sich zu ihrem Wasserrohr
um und …
… stellte fest, dass
es ebenfalls verschwunden war.
Juliettes Herzschlag
wurde schneller. Sie überlegte, ob die zuschlagende Tür das Rohr mit dem Wasser
umgeworfen haben könnte. Und wie es möglich war, dass ihr Messer durch ein
Gitterloch gefallen war, das enger war als der Griff. Und als das Klopfen in
ihren Schläfen nachließ, hörte sie abermals ein Geräusch.
Schritte.
Auf der Treppe unter
ihr.
Jemand rannte weg.
45. KAPITEL
»So wilde Freude nimmt ein wildes Ende.«
Auf
dem Tresen in der Versorgung klirrte Kriegsgerät. Gewehre, funkelnagelneu und
ganz ohne Zweifel gegen jedes geltende Silogesetz, lagen aufgereiht da wie
Stahlstangen. Knox nahm eines in die Hand – er spürte noch die Wärme in dem
Lauf, der gerade erst gebohrt und gezogen worden war – und klappte es am Schaft
auf, um in die Geschosskammer zu sehen. Er griff in den Eimer mit der Munition
und steckte eine der Kugeln in das neue Gewehr. Die Bedienung kam ihm ziemlich
einfach vor: zielen und abdrücken.
»Passen Sie bloß
auf, wohin Sie das Ding halten«, sagte einer der Männer aus der Versorgung und
beugte sich aus der Schusslinie. Knox richtete den Lauf zur Decke und versuchte
sich vorzustellen, was so ein Ding anrichten konnte. Er hatte erst einmal eine
Feuerwaffe gesehen, eine kleinere, die der alte Deputy an der Hüfte getragen
hatte. Er hatte immer gedacht, die Waffe sei nur Show. Er steckte sich ein paar
der Kugeln in die Tasche, dachte daran, dass jede einzelne davon ein Leben
kosten konnte, und verstand sehr gut, warum Waffen im Allgemeinen verboten
waren.
Ein Arbeiter aus der
Versorgung kam mit einem Bottich in den Händen aus dem Lager. Knox sah dem Mann
an, dass das Ding schwer war. »Von denen haben wir nur zwei Dutzend«, sagte der
Mann und hievte den Bottich auf den Tresen.
Knox griff hinein
und nahm einen der schweren Zylinder heraus. Seine Mechaniker und selbst einige
der Männer und Frauen in Gelb beäugten ihn misstrauisch.
»Man muss mit dieser
Seite auf etwas Hartes schlagen«, sagte der Mann hinter dem Tresen so ruhig,
als erkläre er einem Kunden ein elektrisches Relay. »Gegen die Wand, den Boden,
den Gewehrkolben – gegen jede beliebige feste Fläche. Und dann weg damit.«
»Und kann man die
gefahrlos mit sich herumtragen?«, fragte Shirly, als Knox sich eine in die
Tasche seines Overalls steckte.
»Oh ja, man braucht
schon ein bisschen Kraft, um sie zu zünden.«
Einige Leute griffen
in den Bottich und nahmen sich ein solches Ding heraus. Knox begegnete McLains
Blick, als sie ebenfalls einen der Zylinder in ihrer Brusttasche verstaute. Ihr
Gesichtsausdruck war cool und trotzig. Sie musste ihm die Enttäuschung darüber
ansehen, dass sie mitkam, aber gleichzeitig war ihm auch klar, dass sie gar nicht
erst darüber zu diskutieren brauchten.
»Okay«, sagte sie
und wandte ihren graublauen Blick den Männern und Frauen zu, die sich um den
Tresen versammelt hatten. »Hört zu. Wir müssen den Betrieb hier wieder
aufnehmen, und es sollte möglichst aussehen wie immer. Wer also ein Gewehr hat,
der soll sich Munition nehmen. Da drüben liegen Stoffstreifen, die ihr zur
Tarnung um die Waffen wickeln könnt. Meine Gruppe geht in fünf Minuten los,
klar? Die zweite Gruppe kann unauffällig da hinten warten.«
Knox nickte. Er sah
zu Marck und Shirly hinüber, die mit ihm zusammen in der zweiten Gruppe gehen
würden. Die Langsameren würden zuerst gehen und sich unauffällig verhalten, die
mit den kräftigeren Beinen würden folgen und etwas schneller
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