Silo: Roman (German Edition)
noch einmal.
… begrab es mit
dir … Der Mann war also
tot.
Er veranlasste eine
weitere Suche, dieses Mal eine erweiterte, die auch geschlossene Personenakten
miteinbezog. Hunderte Treffer für den ganzen Silo erschienen auf dem
Bildschirm, Namenslisten, die bis zurück zum letzten Aufstand führten. Das
schreckte Lukas nicht ab. Er wusste, dass Juliette vierunddreißig war, also gab
er ein Zeitfenster von achtzehn Jahren ein. Denn wenn sie in ihrer Verliebtheit
jünger als sechzehn gewesen war, dann würde er sich beruhigen müssen und dieses
neidische, beschämende Brennen verdrängen.
In der
entsprechenden Zeitspanne gab es im unteren Silo nur drei tote Georges, einer
war um die fünfzig gewesen, der andere um die sechzig. Beide waren eines
natürlichen Todes gestorben. Lukas überlegte, ob er sie mit Juliettes Daten
abgleichen sollte – etwa ob sie zusammengearbeitet hatten oder demselben
Familienstammbaum entstammten.
Dann sah er die
dritte Datei. Das hier war sein George. Ihr George. Lukas wusste es sofort. Er
rechnete schnell – hätte George noch gelebt, wäre er achtunddreißig gewesen. Er
war erst vor drei Jahren verstorben, hatte in der Mechanik gearbeitet und war
unverheiratet gewesen.
Lukas ließ ihn in
der ID-Kartei suchen, und das Foto bestätigte seine Befürchtungen. Er war ein
gut aussehender Mann gewesen, kantiges Kinn, große Nase, dunkle Augen. Ruhig
und gelassen lächelte er in die Kamera. Man konnte diesen Mann schwerlich
hassen, vor allem wo er längst tot war.
Lukas suchte nach
der Todesursache. Er sah, dass in diesem Fall ermittelt und schließlich ein
Betriebsunfall registriert worden war. Ermittlungen! Er erinnerte sich, dass er
so etwas in Verbindung mit Jules’ Namen gehört hatte, als sie als neuer Sheriff
eingesetzt worden war. Die Frage ihrer Befähigung war eine Quelle von Streit
und Spannungen gewesen – man hatte ihren Lebenslauf als zu undurchsichtig
kritisiert. Vor allem in der IT. Allerdings hatte
es auch geheißen, sie habe vor langer Zeit einen Fall aufzuklären geholfen und
sei deshalb ausgewählt worden.
Und das hier war
dieser Fall. War sie vor seinem Tod in diesen George verliebt gewesen? Oder
hatte sie sich während der Ermittlungen lediglich in ihre Vorstellung von dem
Mann verknallt? Lukas fand Ersteres wahrscheinlicher. Er suchte auf dem
Schreibtisch nach einem Kohlestift und notierte sich Georges Ausweisnummer und
das Aktenzeichen. Damit würde er sich nun die Zeit vertreiben und Juliette
besser kennenlernen können. Zumindest würde es ihn ablenken, bis sie sich
endlich entschloss, ihn anzurufen. Er entspannte sich, zog die Tastatur auf
seinen Schoß und fing an, sich durch die Server zu graben.
74. KAPITEL
Silo
17
Juliette
zitterte vor Kälte. Sie half Solo auf die Füße, der schwankte und sich mit
beiden Händen am Geländer festhalten musste.
»Kannst du gehen?«,
fragte sie. Sie behielt die leere Wendeltreppe im Auge, auf der Hut vor
demjenigen, der sich hier im Silo herumtrieb und Solo angegriffen und sie
selbst damit fast umgebracht hatte.
»Ich glaube, schon«,
sagte er. Er tupfte sich die Stirn ab und besah das Blut an seinen Händen. »Ich
bin bloß nicht sicher, wie weit.«
Auf dem Weg zur
Treppe stieg ihr der beißende Geruch von geschmolzenem Gummi und Benzin in die
Nase. Die schwarze Unterwäsche klebte ihr feucht auf der Haut, Juliette konnte
ihren Atem vor sich sehen, und sobald sie zu sprechen aufhörte, klapperten ihre
Zähne.
Sie beugte sich vor,
um ihr Messer aufzuheben, dann sah sie am Treppengeländer hinauf und dachte an
das, was vor ihnen lag. Sie würden unter keinen Umständen in einem Gang bis zur
IT hinaufsteigen können. Ihre Lunge war von
dem langen Tauchgang erschöpft, ihre Muskeln waren verkrampft von der Kälte.
Und Solo sah noch schlimmer aus. Der Mund stand ihm offen, sein Blick irrte
umher. Er schien kaum zu wissen, wo er war.
»Schaffst du es bis
zur Polizeistation?«, fragte sie. Juliette hatte sich in den vergangenen Wochen
an die Arrestzelle gewöhnt, sie fand die kargen Räume inzwischen auf eine
eigenartige Weise gemütlich. Die Schlüssel waren noch da – vielleicht konnten
sie ruhig schlafen, wenn sie sich zur Sicherheit einschlossen.
»Wie viele
Stockwerke wären das denn?«, fragte Solo.
Er kannte sich im
unteren Bereich nicht so gut aus wie Jules, hatte sich allein nur selten so
weit hinuntergewagt.
»Ungefähr zwölf.
Schaffst du das?«
Er hob einen Stiefel
auf die erste Stufe. »Wir
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