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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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versuchen es mal.«
    Sie machten sich auf
den Weg, und Juliette war froh, dass sie wenigstens noch das Messer hatte. Wie
sie es überhaupt von ihrem Tauchgang hatte wieder mit hinaufbringen können, war
ihr ein Rätsel. Sie hielt den kalten Griff fest umklammert, wobei ihre Hand
noch wesentlich kälter war.
    Auf dem Weg nach
oben klirrte das Messer jedes Mal an das innere Geländer, wenn sie sich ein
Stück weiter hinaufzog. Den anderen Arm hatte sie um Solo gelegt, der sich jede
einzelne Stufe unter Ächzen und Stöhnen erkämpfen musste.
    »Was glaubst du, wie
viele Leute leben außer uns noch im Silo?« Sie beobachtete seine Schritte und
sah besorgt nach oben.
    »Eigentlich sollte
es überhaupt niemanden geben.« Solo schwankte ein bisschen, musste von Juliette
gehalten werden. »Eigentlich sind alle tot. Alle.«
    Auf dem nächsten
Absatz machten sie eine kurze Pause. »Aber du hast es doch auch geschafft«,
sagte sie. »Die ganzen Jahre, du hast überlebt.«
    Er runzelte die
Stirn und wischte sich mit dem Handrücken über den Bart. Er atmete schwer.
»Aber ich bin solo. Da war sonst niemand. Wirklich niemand.«
    Juliette blickte den
Schacht hinauf, in die Lücke zwischen Stufen und Beton. Der schmale, grünliche
Strohhalm des Treppenhauses verlor sich nach oben in der Dunkelheit. Sie biss
die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten, und lauschte auf ein Geräusch,
auf ein Zeichen von Leben. Solo stolperte voran, wieder in Richtung der Treppe.
Juliette ging ihm nach.
    »Wie gut hast du ihn
gesehen? Woran erinnerst du dich?«
    »Ich erinnere mich – ich erinnere mich, dass ich dachte, er ist wie ich.«
    Juliette meinte, ihn
schluchzen zu hören, aber vielleicht war es auch nur die Anstrengung des
Treppensteigens. Sie drehte sich zu der Tür um, an der sie gerade vorbeikamen.
Das ganze Stockwerk war dunkel, es war offenbar nach dem Aufstand kein Strom
mehr dorthin verlegt worden. Gingen sie gerade an Solos Angreifer vorbei?
Ließen sie eine Art lebenden Geist hinter sich?
    Sie hoffte es sehr.
Sie hatten noch einen weiten Weg vor sich, selbst bis zur Polizeistation war es
noch weit, ganz zu schweigen von ihrem Werkstattzimmer in der IT.
    Die nächsten
anderthalb Stockwerke gingen sie schweigend. Dann und wann rieb sie sich die
Arme, spürte den Schweiß vom Aufstieg und von der Anstrengung, weil sie Solo
stützen musste. Hätte sie nicht die nasse Unterwäsche auf dem Körper gehabt,
wäre ihr vielleicht sogar warm geworden. Nach drei Stockwerken bekam sie einen
solchen Hunger, dass sie fürchtete, ihr Körper werde einfach aufgeben.
    »Noch ein Stockwerk,
dann muss ich anhalten«, sagte sie. Solo brummte zustimmend. Auf dem
Treppenabsatz im Hundertzweiunddreißigsten hielt er sich am Geländer fest und
ließ sich langsam auf den Boden gleiten, Handbreit für Handbreit, als würde er
eine Leiter hinuntersteigen. Als sein Gesäß den Boden berührte, legte er sich
sofort flach auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
    Juliette hoffte,
dass es nur eine Gehirnerschütterung war. Sie hatte oft genug mit Männern
zusammengearbeitet, die zu cool waren, um Schutzhelme zu tragen, und dann nicht
mehr ganz so cool, wenn ein Werkzeug oder ein Stahlbalken ihnen an den Kopf
knallte. Sie wusste, dass Solo nichts weiter tun konnte, als sich auszuruhen.
    Das Problem mit dem
Ausruhen war, dass ihr immer kälter wurde. Juliette trat von einem Fuß auf den
anderen, damit ihr Blut in Bewegung blieb. Dass sie beim Treppensteigen leicht
geschwitzt hatte, wandte sich jetzt gegen sie, sie spürte den Zug im
Treppenhaus, die kühle Luft, die vom Wasser heraufkam. Sie war zu müde, um sich
noch weiterzubewegen – wenn sie regungslos stehen blieb, brachte sie das
womöglich um. Und sie wussten immer noch nicht, wo dieser Angreifer war, sie konnten
nur hoffen, dass sie schon an ihm vorbeigegangen waren.
    »Wir sollten
weiter«, sagte sie. Sie betrachtete die dunklen Türen und Fenster hinter Solo.
Was würde sie tun, wenn in diesem Moment jemand herauskommen und sie angreifen
würde? Sie hätte kaum die Kraft, um sich zu verteidigen.
    Solo hob den Arm und
winkte ab. »Geh nur«, sagte er. »Ich bleibe hier.«
    »Nein, du kommst
mit.« Sie rieb ihre Hände gegeneinander, blies in ihre klammen Finger und nahm
alle Kraft zusammen. Sie ging zu Solo und versuchte, seine Hand zu nehmen, aber
er zog sie zurück.
    »Ich brauche noch
ein bisschen Pause«, sagte er. »Ich hol dich dann schon wieder ein.«
    »Ich lass dich

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