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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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war bei jeder
Haushaltssitzung wieder ein Streitpunkt. Aber die Reinigungen, deren
Durchführung sich nicht vermeiden ließ, die Angst vor allem, was mit der Welt
da draußen zu tun hatte, und die Tabus, die mit all dem einhergingen, verliehen
der IT enorm viel Macht. Hier befanden sich die
Labors, in denen die Schutzanzüge hergestellt wurden, jeder Anzug genau auf die
Person zugeschnitten, die gerade in der Arrestzelle saß, und schon das hob die IT von allen anderen Abteilungen ab.
    Nein, sagte sich
Jahns, es waren nicht nur das Tabu der Reinigung und die Angst vor der
Außenwelt. Es war die Hoffnung. Alle Bewohner des Silos hatten diese
unausgesprochene, schreckliche Hoffnung. Diese lächerliche, phantastische
Hoffnung. Dass vielleicht nicht für sie, aber möglicherweise für ihre Kinder
oder Kindeskinder ein Leben dort draußen wieder möglich werden würde, und zwar
dank der IT und der klobigen Anzüge aus ihren
Labors.
    Jahns schüttelte
sich beim bloßen Gedanken daran. Ein Leben dort draußen. Die kindliche
Konditionierung war sehr stark. Vielleicht würde Gott ihre Gedanken lesen und
sie verurteilen. Sie stellte sich vor, in einem Reinigungsoverall zu stecken,
ein allzu vertrauter Gedanke: sie selbst in dem beweglichen Sarg, in den sie so
viele verbannt hatte.
    Im
vierunddreißigsten Stock trat sie auf den Treppenabsatz. Marnes kam zu ihr, die
Feldflasche in der Hand. Sie bemerkte, dass sie schon den ganzen Tag aus seiner
Flasche trank, während ihre immer noch in ihrem Rucksack steckte. Irgendwie
hatte diese gegenseitige Versorgung etwas Kindliches und Romantisches, aber sie
war vor allem praktisch. Man kam an sein eigenes Wasser schwerer heran als an
das des anderen.
    »Pause?« Er reichte
ihr die Feldflasche, in der noch zwei Schlucke drin waren.
    »Das hier ist unser
Etappenziel«, sagte sie.
    Marnes schaute auf
die Nummer, die in Schablonenschrift über die Tür geschrieben war. Er wusste
wohl, auf welchem Stockwerk sie waren, wollte sich aber noch einmal
vergewissern.
    Jahns gab ihm die
Feldflasche zurück. »Normalerweise schicke ich eine Nachricht hinunter, damit
sie meine Ernennungen absegnen. Das hat Mayor Humphries auch schon so gemacht
und davor Mayor Jeffers.« Sie zuckte mit den Schultern. »War schon immer so.«
    »Ich wusste gar
nicht, dass die zustimmen müssen.« Er trank den letzten Schluck, klopfte Jahns
auf die Schulter und ließ seinen Finger über ihr kreisen, um anzudeuten, dass
sie sich umdrehen solle.
    »Na ja, bisher haben
sie nie etwas gegen meine Entscheidungen gehabt.« Jahns merkte, wie ihre
Feldflasche aus der Vordertasche gezogen und durch Marnes’ ersetzt wurde. Ihr
Rucksack wurde eine Spur leichter. Offenbar wollte Marnes ihr Wasser tragen und
es teilen, bis auch ihre Flasche leer war. »Ich glaube, es gibt diese formlose
Kontrollinstanz, damit wir jeden Richter und jeden Gesetzeshüter sorgfältig
auswählen.«
    »Und diesmal willst
du dir das Einverständnis persönlich abholen.«
    Sie drehte sich
wieder um und sah den Deputy an. »Ich dachte, wenn wir sowieso
vorbeikommen …« Sie unterbrach sich, während ein junges Paar hinter Marnes
die Treppe hinaufeilte, händchenhaltend und immer zwei Stufen auf einmal
nehmend. »Würde doch komisch aussehen, nicht wenigstens kurz reinzuschauen.«
    »Reinschauen«, sagte
Marnes. Jahns hätte sich nicht gewundert, wenn er über das Geländer gespuckt
hätte, sein Ton verlangte geradezu nach einer solchen Geste. Schon wieder hatte
sie den Eindruck, dass eine ihrer persönlichen Schwächen offensichtlich
geworden war.
    »Sieh es als
Goodwill-Besuch«, sagte sie und wandte sich zur Tür.
    »Ich sehe es lieber
als Sonderermittlung«, murmelte Marnes und ging hinter ihr her.
    * * *
    Jahns
war klar, dass sie nicht wie auf der Säuglingsstation durchgewinkt und in die
geheimnisvollen Tiefen der IT geschickt werden
würden. Während sie darauf warteten, dass man sie bemerkte, sah sie, wie selbst
ein Mitarbeiter, gut zu erkennen an seinem roten Overall, abgetastet und
durchsucht wurde, bevor er die Abteilung auch nur verlassen und zur Treppe
gehen durfte. Ein Mann mit einem Stab in der Hand – ein Mitarbeiter des IT-internen Sicherheitsdienstes – hatte anscheinend die
Aufgabe, jeden zu überprüfen, der durch das Metalltor ging. Die Rezeptionistin
vor der Tür schien sich immerhin geehrt zu fühlen, dass die Bürgermeisterin zu
Besuch war. Sie sprach ihr wegen der letzten Reinigung ihr Beileid aus. Das war
irgendwie sonderbar, aber

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