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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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abgeschlossen.
    »Das ist Ihr
Vorschlag«, sagte Mayor Jahns.
    »Ja, durchaus. Und
ich denke, weil wir einen wunderbaren Kandidaten haben, der bereit und willens
ist und schon seit Längerem in den oberen Stockwerken lebt …«
    »Ich werde Ihren
Vorschlag bedenken.« Jahns nahm den neuen Vertrag vom Tisch, faltete ihn
demonstrativ in der Mitte und strich die Falte mit dem Fingernagel glatt. Dann
steckte sie das Blatt in eine ihrer Akten, und Bernard sah ihr entsetzt dabei
zu.
    »Solange Sie keine
formale Beschwerde gegen unsere erste Kandidatin einlegen, nehme ich das als
stillschweigendes Einverständnis, mit ihr über die Stelle zu sprechen.« Jahns
stand auf und griff nach ihrer Tasche. Sie steckte ihre Akten in die
Außentasche und verschloss sie gut, dann nahm sie ihren Spazierstock, der am
Konferenztisch lehnte. »Danke, dass Sie uns empfangen haben.«
    »Ja, aber …« Bernard
schob sich vom Tisch zurück und lief ihr nach, während Jahns schon auf dem Weg
zur Tür war. Marnes stand auf und folgte ihnen lächelnd.
    »Und was soll ich
Peter sagen? Er geht davon aus, dass er sofort anfängt!«
    »Sie hätten gar
nicht erst mit ihm reden sollen«, sagte Jahns. Im Foyer blieb sie stehen und
blickte Bernard an. »Ich habe Ihnen meine Liste im Vertrauen geschickt. Das
haben Sie missbraucht. Ich weiß zu schätzen, was Sie für den Silo tun. Sie und
ich, wir arbeiten schon lange und friedlich zusammen, und der Silo floriert wie
vielleicht noch nie zuvor.«
    »Und deswegen …«,
fing Bernard an.
    »… deswegen verzeihe
ich Ihnen dieses eine Mal«, sagte Mayor Jahns. »Das ist mein Job. Mein
Volk. Ich bin gewählt worden, damit ich diese Art von Entscheidungen treffe.
Also werden der Deputy und ich uns auf den Weg machen. Wir ermöglichen unserer
ersten Wahl ein faires Vorstellungsgespräch. Und dann kommen wir auf dem
Rückweg noch einmal bei Ihnen vorbei, falls es irgendetwas zu unterschreiben
gibt.«
    Bernard breitete
geschlagen die Arme aus. »Nun gut«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich wollte die
Sache nur beschleunigen. Ruhen Sie sich doch bitte noch ein bisschen aus, seien
Sie unsere Gäste. Soll ich Ihnen etwas zu essen holen, vielleicht ein bisschen
Obst?«
    »Wir wollen gleich
weiter«, sagte Jahns.
    »Gut.« Er nickte.
»Aber wenigstens ein bisschen Wasser? Die Feldflaschen auffüllen?«
    Jahns fiel ein, dass
eine der Flaschen bereits leer war und sie noch ein paar Stockwerke vor sich
hatten.
    »Das wäre nett«,
sagte sie. Sie bedeutete Marnes, sich umzudrehen, damit sie die Feldflasche aus
seinem Rucksack holen konnte. Dann drehte sie sich um, damit er an ihre
herankam. Bernard winkte einen seiner Arbeiter herbei, damit er sie auffüllte,
aber seinen Blick hielt er die ganze Zeit auf diese seltsam intime Geste
gerichtet.

11. KAPITEL
    Als
Jahns wieder klar denken konnte, waren sie fast schon in den Fünfzigern. Sie
hatte das Gefühl, das Gewicht von Peter Billings’ Vertrag in ihrem Rucksack
spüren zu können. Hinter ihr murmelte Marnes seinen eigenen Unmut vor sich hin,
schimpfte über Bernard und versuchte, Schritt zu halten. Jahns’ Gedanken
drehten sich im Kreis. Die Erschöpfung in ihren Oberschenkeln und Waden wurde
verstärkt durch das Gefühl, dass diese Reise nicht nur ein Fehler war, sondern
wahrscheinlich auch noch fruchtlos bleiben würde. Ein Vater, der voraussagte,
dass seine Tochter den Job nicht annehmen werde, dazu der Druck aus der IT, einen anderen Kandidaten zu wählen. Mit jedem Schritt
wuchsen Jahns’ Befürchtungen – ihre Befürchtungen und gleichzeitig die
Sicherheit, dass Juliette genau die Richtige für den Job war. Sie würden diese
Mechanikerin überzeugen müssen, den Posten anzunehmen, und sei es nur, um es
Bernard zu zeigen und die anstrengende Reise nicht umsonst gemacht zu haben.
    Jahns war schon
lange Bürgermeisterin. Teilweise hatte sie sich auf dem Posten gehalten, weil
sie die Dinge zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt hatte, teilweise weil sie
schlimmere Dinge verhinderte. Vor allem aber war sie deswegen wiedergewählt
worden, weil sie selten großes Aufhebens um die Dinge machte. Sie hatte das
Gefühl, jetzt sei es vielleicht an der Zeit – jetzt, da sie alt genug war, dass
die Konsequenzen ihr nichts mehr ausmachten. Sie sah sich zu Marnes um und
wusste, dass es ihm genauso ging. Ihre Zeit war beinahe vorüber. Das Beste und
Wichtigste, was sie für den Silo tun konnten, war, ihr Vermächtnis
weiterzugeben. Keine Aufstände. Kein Machtmissbrauch.

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