Silo: Roman (German Edition)
Jahns hätte sich eine solche Anteilnahme öfter
gewünscht. Sie wurden in einen kleinen Konferenzraum neben dem großen Foyer
geführt. Sie nahm an, dass dieses vorgelagerte Zimmer für Besprechungen mit
anderen Abteilungen eingerichtet worden war, damit nicht alle Gäste durch die
Sicherheitsschleuse geschickt werden mussten.
»Haben die hier viel
Platz!«, flüsterte Marnes, als sie allein in dem Raum waren. »Hast du gesehen,
wie groß die Eingangshalle ist?«
Jahns nickte. Sie
sah sich nach Gucklöchern in den Wänden oder der Decke um, nach irgendetwas,
das ihr das gruselige Gefühl bestätigt hätte, dass sie beobachtet wurden. Sie
setzte Tasche und Spazierstock ab und ließ sich erschöpft in einen weichen
Sessel fallen, und erst als der Sitz sich bewegte, merkte sie, dass er auf
Rollen stand. Auf gut geölten Rollen.
»Hier wollte ich
schon immer mal hin«, sagte Marnes. Er sah durch die Glasscheibe zurück in das
große Foyer. »Immer wenn ich hier vorbeigekommen bin – und das war noch nicht
oft –, wollte ich sehen, wie es hier drinnen aussieht.«
Fast hätte Jahns ihn
gebeten, still zu sein, aber sie wollte ihn nicht verletzen.
»Junge, der beeilt
sich aber. Muss an dir liegen.«
Jahns wandte sich um
und sah durch das Fenster Bernard Holland in ihre Richtung kommen. Als er auf
die Tür zutrat, verschwand er kurz aus dem Blickfeld, dann wurde die Klinke gedrückt,
und der kleine Mann, der die IT am Laufen hielt,
trat ein.
»Mayor.«
Bernard zeigte alle
seine Zähne, von denen die vorderen schief standen. Um diesen Makel zu
verstecken, hing ein fransiger Schnurrbart darüber, außerdem war der Chef der IT klein, stämmig und trug eine Brille. Er sah genauso
aus, wie man sich einen Computerexperten vorstellt. Noch dazu kam es Jahns so
vor, als sähe er schlau aus.
Er griff nach Jahns’
Hand, als sie sich aus dem Sessel erheben wollte und ins Straucheln kam, weil
das verdammte Ding fast unter ihr wegrutschte.
»Vorsicht«, sagte
Bernard und hielt sie am Ellbogen fest. »Deputy.« Er nickte Marnes zu, während
Jahns die Balance wiederfand. »Welche Ehre, Sie hierzuhaben. Ich weiß, dass Sie
derartige Reisen nicht oft unternehmen.«
»Danke, dass wir so
kurzfristig kommen durften«, sagte Jahns.
»Selbstverständlich.
Machen Sie es sich doch bitte bequem.« Bernard deutete auf den lackierten
Konferenztisch, der deutlich schöner war als der im Büro der Bürgermeisterin.
Jahns redete sich ein, er würde nur deswegen mehr glänzen, weil er weniger
benutzt wurde. Sie nahm vorsichtig Platz und zog die Unterlagen aus ihrer
Tasche.
»Gleich zur Sache,
wie immer«, sagte Bernard, der neben ihr saß. Er schob seine kleine runde
Brille hoch und rollte auf seinem Stuhl so weit nach vorn, dass er mit dem
runden Bauch an den Tisch stieß. »Das habe ich immer an Ihnen geschätzt. Wir
haben nach den tragischen Ereignissen des gestrigen Tages natürlich alle Hände
voll zu tun.«
»Und wie läuft’s?«,
fragte Jahns und sortierte das Material vor sich.
»Ein paar Sensoren
liefern jetzt genauere Ergebnisse. Der Gehalt von acht der bekannten Toxine in
der Luft ist gesunken, allerdings nicht stark. Zwei sind gestiegen. Die meisten
sind unverändert.« Er winkte ab. »Jede Menge langweiliger Technikkram, aber das
steht dann alles in meinem Bericht. Ich lasse ihn nach oben bringen, bevor Sie
wieder im Büro sind.«
»Sehr gut«, sagte
Jahns. Sie wollte noch etwas sagen, die harte Arbeit seiner Abteilung
anerkennen, ihn wissen lassen, dass die Reinigung erfolgreich gewesen war. Aber
sie konnte nicht. Es war Holston, der da draußen lag, fast so etwas wie ihr
persönlicher Schatten, der einzige Mann, den sie sich auf ihrem Posten hatte
vorstellen können. Es war zu früh, um etwas zu seinem Tod zu sagen, geschweige
denn, sich darüber zu freuen.
»Normalerweise kable
ich Ihnen in diesen Angelegenheiten ja«, sagte sie, »aber weil wir nun sowieso
hier vorbeikommen und die nächste Komiteesitzung bei uns oben erst in … wie
lange ist das noch hin? Drei Monate?«
»Keine allzu lange
Zeit.«
»Ich dachte, wir
könnten das einfach schnell formlos erledigen, damit ich der besten Kandidatin
den Job anbieten kann.« Sie sah zu Marnes auf. »Wenn sie akzeptiert hat,
erledigen wir den restlichen Papierkram auf dem Rückweg, wenn es Ihnen recht
ist.« Sie schob Bernard die Akte zu und war überrascht, dass er eine eigene
Akte zückte, statt ihre zu nehmen.
»Dann bringen wir
die Sache doch hinter uns«, sagte
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