Silo: Roman (German Edition)
Ordnung«,
versuchte Jahns zu sagen.
Sie leckte sich über
die Lippen. So trocken. Der Mund so verdammt trocken. Sie bat um Wasser. Marnes
suchte nach seiner Feldflasche, hielt sie ihr an die Lippen, spritzte ihr
Wasser in den Mund.
Sie versuchte zu
schlucken, aber es ging nicht. Sie streckten sich auf der Bank aus, der Doktor
tastete nach ihren Rippen und leuchtete ihr in die Augen. Aber es wurde immer
dunkler.
Marnes hielt die
Feldflasche in einer Hand und strich ihr mit der anderen das Haar zurück. Er
hatte so viel mehr Kraft als sie. Sie lächelte ihn an und griff nach seiner
Hand, eine riesige Anstrengung. Sie hielt sein Handgelenk und sagte ihm, dass
sie ihn liebe. Dass sie ihn liebe, solange sie sich erinnern könne. Ihr Kopf
war müde und verlor die Kontrolle über ihre Geheimnisse, und sie erzählte ihm
alles, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen.
Sie sah seinen
Blick, wie er auf sie hinuntersah, und dann zu der Feldflasche in seiner Hand.
Der Feldflasche, die
er getragen hatte.
Das Wasser, ging ihr
auf, das Gift, das für ihn gedacht gewesen war.
17. KAPITEL
In
der Generatorenhalle war es gespenstisch still. Mechaniker in abgewetzten
Overalls standen in drei Reihen hintereinander hinter dem Geländer und
beobachteten die erste Schicht bei der Arbeit. Juliette nahm sie nur am Rande
wahr, ihr war vor allem die Stille bewusst.
Sie beugte sich über
einen Apparat, den sie selbst gebaut hatte, eine hohe Plattform, die auf eine
Metallplatte geschweißt war und über kleine Spiegel und Schlitze Licht durch
den Raum warf. Dieses Licht traf auf Spiegel am Generator und am großen Dynamo
und half ihr, sie perfekt aufeinander auszurichten. Es ging ihr vor allem um
die Welle, die den Generator mit dem Dynamo verband, eine mannsdicke
Stahlverbindung, über die die Energie des verbrennenden Öls in Strom umgewandelt
wurde. Sie hoffte, die Maschinen an den beiden Enden dieser Welle auf einen
tausendstel Zentimeter genau ausgerichtet zu haben. Aber sie hatten in nichts,
was sie hier taten, irgendeine Erfahrung. Das Vorgehen war in nächtelangen
Sitzungen in aller Eile geplant worden, während das Notstromaggregat
hochgefahren wurde. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass die
Achtzehn-Stunden-Schichten zu etwas nütze gewesen waren.
Während sie die
letzten Handgriffe erledigte, wurde es im Raum um sie herum totenstill. Sie
machte ein Zeichen, und Marck und sein Team zogen verschiedene massive
Schrauben an den neuen Bodenhalterungen an. Es war der vierte Tag der
Stromsperre. Am nächsten Morgen musste der Generator wieder laufen und bis zum
Abend die volle Leistung bringen. Nachdem sie so viel daran gemacht hatten – sie hatten neue Dichtungen und Verschlüsse eingebaut und die Zylinderschäfte
poliert, wofür einige junge Schatten in die Maschine hineingekrabbelt waren –,
machte Juliette sich Sorgen, ob der Generator überhaupt anspringen würde.
Solange sie lebte, war er nie vollkommen heruntergefahren worden. Der alte Knox
erinnerte sich noch, dass die Stromerzeugung vor langer Zeit in einem Notfall
automatisch unterbrochen worden war, aber allen anderen Anwesenden war das
Rattern des Generators ein Leben lang so nah gewesen wie ihr eigener
Herzschlag. Juliette spürte einen überwältigenden Druck, alles würde fehlerfrei
funktionieren. Die Instandsetzung war ihre Idee gewesen. Sie beruhigte sich,
indem sie sich einredete, dass die Reparatur das einzig Richtige war und sie
die Stromsperre zur Not so lange verlängern mussten, bis alle Tücken aus dem
Weg geräumt waren. Das wäre immer noch deutlich besser als in einigen Jahren
die ganz große Katastrophe.
Marck signalisierte
ihr, dass die Schrauben nun festsaßen. Juliette sprang von ihrer selbst
gebauten Plattform und ging zu ihm hinüber. Es war schwierig, lässig zu gehen,
wenn so viele Augenpaare einen beobachteten. Sie konnte kaum glauben, dass
dieser Rabaukenhaufen, der ihre vergrößerte und leicht gestörte Familie war,
sich so still verhalten konnte. Sie schienen alle den Atem anzuhalten, um zu
sehen, ob der Stress der letzten Tage sich gelohnt hätte.
»Bereit?«, fragte
sie Marck.
Er nickte und
wischte sich die Hände an dem schmutzigen Lumpen ab, der wie immer über seiner
Schulter hing. Juliette sah auf die Uhr. Der Anblick des stetig kreisenden
Zeigers beruhigte sie. Wann immer sie Zweifel hatte, ob etwas funktionieren
würde, sah sie auf ihre Uhr. Nicht, um die Zeit abzulesen, sondern um etwas zu
sehen, das sie selbst
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