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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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hielt inne.
    »Vierundsechzig
Bit«, sagte er leise und sah sie an. »Vierundsechzig Bit. Wozu braucht jemand
so viele Farben?«
    »Erklär es mir so,
dass ich es verstehen kann«, sagte Juliette. Scottie machte den Eindruck, als
könnte er jeden Moment den Verstand verlieren.
    »Du hast dir den
Ausblick oben in der Kantine angesehen, oder?«
    Sie senkte den Kopf.
»Du weißt doch, wo ich arbeite.«
    »Okay, ich war auch
ein paarmal da, bevor ich angefangen habe, mir hier die Finger wund zu tippen
und meine Mahlzeiten nur noch vor dem Rechner einzunehmen.« Er fuhr sich durch
sein struppiges sandfarbenes Haar. »Dieses Programm, Jules, das, was du hier
vor dir hast – damit könntest du zum Beispiel das Bild auf dem großen
Wandmonitor real aussehen lassen.«
    Juliette lachte, als
sie begriff, was er da sagte. »Aber dafür bräuchte man doch kein Programm,
oder? Die Linsen nehmen auf, was draußen zu sehen ist, und diese Aussicht wird
dann auf den Bildschirm übertragen.« Sie schüttelte wieder den Ausdruck mit dem
Wortsalat. »Oder bräuchte man trotzdem diese Algorithmen, von denen du
gesprochen hast?«
    Scottie faltete die
Hände. »Nein, bräuchte man nicht – du redest von einem Bild, das bloß
weitergeleitet wird. Das könnte ich dir mit ein paar wenigen Zeilen
programmieren. Das hier, dieses Programm, ist aber dazu da, die Bilder
tatsächlich zu erzeugen. Und das ist wesentlich komplexer.«
    Er packte Juliettes
Arm.
    »Jules, dieses
Programm kann vollkommen beliebige Bilder produzieren, es kann dir alles
zeigen, was du willst!«
    Er atmete tief.
Zwischen ihnen hing ein Stückchen Zeit in der Luft, eine Pause, in der sie
beide ihren Herzschlag nicht spürten und sich nur starr in die Augen sahen.
    Juliette hockte sich
auf die Fersen, ihre Zehen schwebten in den alten Stiefeln. Schließlich ließ
sie sich mit dem Hintern auf den Boden fallen und lehnte sich an die
Stahlpaneele an der Wand.
    »Womit klar sein
dürfte …«, begann Scottie, aber Juliette hob die Hand und brachte ihn zum
Schweigen. Ihr wäre nie der Gedanke gekommen, dass die Aussicht eine Täuschung
war. Was um Himmels willen sollte der Sinn und Zweck einer solchen Inszenierung
sein?
    Juliette stellte
sich vor, wie Holstons Frau diese Dinge herausgefunden hatte. Sie musste
technisch mindestens so brillant gewesen sein wie Scottie, immerhin hatte sie
die Methode erfunden, mit der die gelöschten Daten sich überhaupt
rekonstruieren ließen. Was hatte sie mit ihren Erkenntnissen wohl angefangen?
Hatte sie die Wahrheit über die Linsen bekannt machen und einen Aufstand
provozieren wollen? Hatte sie ihrem Mann die Ergebnisse ihrer Nachforschungen
mitgeteilt?
    Juliette wusste nur,
was sie an Allisons Stelle getan hätte. Sie wäre von Natur aus zu neugierig
gewesen, um eine solche Sache auf sich beruhen zu lassen. Es hätte an ihr
genagt wie der rasselnde Motor einer defekten Maschine oder der geheime
Funktionsplan eines Gerätes, mit dem sie noch nie vorher zu tun gehabt hatte.
Sie hätte einen Schraubenschlüssel genommen und den Motorendeckel geöffnet und
hineingesehen und …
    »Jules …«
    Sie winkte ab.
Details aus Holstons Ordner fielen ihr wieder ein. Notizen über Allison – wie
sie plötzlich, von einem Tag auf den anderen, verrückt geworden war. Ihre
Neugier musste sie in den Wahnsinn getrieben haben. Es sei denn … es sei denn,
Holston hatte von nichts gewusst, und ihr Irrsinn war nur gespielt gewesen. Es
sei denn, Allison hatte ihren Mann mit einem vorgetäuschten Anfall schützen
wollen.
    Doch hatte Holston
wirklich drei Jahre gebraucht, um für sich zusammenzupuzzeln, was sie in einer
einzigen Woche herausgefunden hatte? Oder hatte er Bescheid gewusst und drei
Jahre gebraucht, um den Mut aufzubringen und Allison zu folgen? Oder hatte
Juliette einen Vorsprung, den er nicht gehabt hatte? Sie hatte Scottie. Und sie
folgte im Grunde den Brotkrumen von jemandem, der seinerseits Brotkrumen
gefolgt war – die Spur war inzwischen sehr viel deutlicher und die Sache sehr
viel einfacher.
    »Das muss hier weg«,
sagte Scottie mit Blick auf die Papierrolle.
    Juliette nickte. Sie
stand vom Boden auf und stopfte den Ausdruck ins Oberteil ihres Overalls. Sie
würde die Papiere vernichten müssen – wie, wusste sie selbst noch nicht genau.
    »Ich habe die Kopien
von allem, was ich dir geschickt habe, gelöscht«, sagte er. »Ich habe genug von
der Sache. Und du solltest auch die Finger davon lassen.«
    Sie befühlte ihre
Brusttasche,

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