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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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hatte.
    Wenn sie sich
umdrehte und den Weg zurücksah, dann sah sie hohe Gräser, die sich in einem
sanften Lüftchen wiegten, hier und da nickte ihr eine Blume zu, und der Himmel
war blau und weiß. Eine üble Kombination: diese Welt war verlockend, aber
falsch.
    Juliette warf einen
letzten Blick zurück. Sie stellte fest, wie die runde Vertiefung inmitten der
Hügel den Umriss des flachen Silodachs abbildete. Der Rest ihres ehemaligen
Zuhauses war tief im Bauch der Erde vergraben. So, wie sich das Land drum herum
anhob, wirkte es, als hätte ein hungriger Gott einen großen Bissen Erde
herausgelöffelt. Schweren Herzens wurde ihr klar, dass die Welt, in der sie
aufgewachsen war, ihr jetzt verschlossen war, dass ihr Zuhause und ihre Freunde
hinter verschlossenen Türen in Sicherheit waren, während sie selbst sich ihrem
Schicksal ergeben musste. Man hatte sie verbannt. Sie hatte nicht mehr viel
Zeit. Und so drehte sie dem verlockenden Blick und den strahlenden Farben den
Rücken zu und stellte sich dem leblosen Staub der Realität.
    * * *
    Juliette
atmete flach, als sie den Hügel auf der anderen Seite wieder hinunterstapfte.
Sie wusste, dass Walker ihr Zeit geschenkt hatte, Zeit, die niemand, der die
Kameras reinigen musste, je zuvor gehabt hatte. Aber wie viel Zeit? Und wofür?
Sie hatte ihr Ziel bereits erreicht, hatte sich außer Sichtweite der Objektive
gebracht. Warum also ging sie noch weiter, warum stolperte sie weiter über
diesen seltsamen Hügel? War das die Erdanziehungskraft? Oder wurde sie angelockt
von dem Unbekannten, das es noch zu entdecken gab?
    Sie war kaum den
Hang hinuntergegangen, grob in Richtung der verfallenden Stadt, als sie schon
wieder stehen blieb und die unbekannte Landschaft betrachtete. Sie konnte sich
nun einen Weg aussuchen für ihren letzten Gang über die hohen Dünen aus
trockener Erde, über die noch niemand vor ihr gegangen war. Und in diesem
Moment sah sie, dass die Senke, in der ihr Silo lag, kein Zufall war. Die
Hügel, die sich in die Ferne ausstreckten, waren eindeutig in einem Muster
angeordnet. Sie erkannte eine runde Senke nach der anderen, und dazwischen
erhob sich die Erde, als hätte man jedes dieser ausgelöffelten Stücke vor den
ätzenden Winden schützen wollen.
    Juliette stieg in
die benachbarte Senke hinunter und dachte angestrengt nach. Sie beobachtete
ihre eigenen Schritte, trat kleinere Steine beiseite und hielt ihren Atem
flach. Sie wusste von der Arbeit in den gefluteten Bassins, dass man Luft
sparen konnte, indem man die Ruhe bewahrte. Sie sah auf und überlegte, ob sie
genügend Luft im Anzug hatte, um diese Senke zu durchqueren und auf den
nächsten größeren Hügel zu kommen.
    Dann entdeckte sie
den schlanken Turm in der Mitte der Senke, dessen Metall im schwachen
Sonnenlicht schimmerte. Hier war die Landschaft nicht von dem Programm in ihrem
Visier verändert, die Realität kam ungefiltert zu ihr durch. Und als sie diesen
vertrauten Sensorenturm sah, fragte sie sich, ob sie sich umgedreht hatte, ob
sie einmal zu oft über die Welt hinweggeblickt hatte und in Wahrheit gerade zu
ihrem Silo zurückging.
    Der Anblick eines
Toten, der im Schmutz verrottete, schien das zu bestätigen. Es war kaum noch
etwas von ihm übrig, ein paar Bänder eines alten Anzugs, ein leerer Helm.
    Sie blieb stehen und
berührte den Helm mit der Zehenspitze. Er zerfiel sofort zu Staub. Was auch
immer an Fleisch und Knochen in diesem Anzug gesteckt hatte, war schon lange
verwest.
    Juliette suchte den
Hügel nach dem schlafenden Paar ab, aber die Spalte zwischen den zwei Hügeln
war nicht zu sehen. Plötzlich fühlte sie sich verwirrt und verloren. Sie fragte
sich, ob die Luft schon durch die Dichtungen und das hitzebeständige Klebeband
gedrungen war, ob ihr Hirn schon den giftigen Gasen ausgesetzt war. Aber nein.
Sie war näher an der Stadt, sie ging weiter auf die Skyline zu, deren Spitzen
immer noch heil und glänzend wirkten, der Himmel darüber immer noch blau mit
weißen Wölkchen.
    Und das bedeutete,
dass der Turm vor ihr … nicht ihrer war. Und diese Dünen, diese Haufen toter
Erde, sollten nicht, wie sie gedacht hatte, vor dem giftigen Wind schützen. Sie
sollten neugierige Blicke abhalten. Sie versperrten den Blick, die Aussicht auf die anderen Silos .

35. KAPITEL
    »Eins – zwei – drei: dann sitzt Euch der Stoß in der Brust.«
    Lukas
presste sich den kleinen Karton an die Brust und ging hinauf zum
Achtunddreißigsten, einem Stockwerk mit gemischter Nutzung:

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