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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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denn?«
    »Seine Ruhe vielleicht. Oder etwas, das gibt ihm Ruhe zurück.«
    In Frau Pans Augen war ein Leuchten, als stünde sie in direkter Verbindung zu Andrea Robbi. Oder besser: zu seinem Geist.
    Vielleicht tickt die reizende Vietnamesin aber auch einfach nicht ganz richtig, dachte Plotek, während Vinzi »Möglich, möglich« sagte. Nicht weil er wirklich daran glaubte, sondern weil er sich mit Frau Pan gemeinmachen wollte, so Ploteks Eindruck. Emsig sammelte Vinzi Sympathiepunkte.
    Die Hauptkommissarin schmunzelte, als würde sie die reizende Frau Pan nicht wirklich ernst nehmen. Dann sagte sie: »Sie entschuldigen mich!«, stand flugs vom Tisch auf und verschwand in der Toilette.
    »Kotzen«, sagte Vinzi. Plotek nickte, und beide lachten in sich hinein. Frau Pan verzog sich wieder hinter ihren Tresen. Keine fünf Minuten später kam die Hauptkommissarin zurück an den Tisch. Sie wirkte frisch, strahlte und sah nicht aus, als hätte sie sich übergeben. Schlechtes Schauspiel, kam Plotek in den Sinn. Darin kannte er sich aus.
    An der Jeans von Vera Frischknecht war ein kleiner, unscheinbarer Fleck zu sehen. Also doch übergeben, dachte Plotek und lächelte in sich hinein, während die Hauptkommissarin sagte: »Was natürlich schon sehr seltsam ist, und das ist mir erst gerade auf dem Klo aufgefallen, ist die Tatsache, dass Sie, Herr Plotek, immer als Erster bei den Toten waren. Sie waren der, der alle drei Leichen gefunden hat.« Sie sah ihn an, als wäre er nicht nur der Finder, sondern auch der Mörder – von Opfern, die ihrer Meinung nach gar keine waren.
    »Na und?«, fragte Vinzi. »Was leiten Sie daraus ab?«
    »Ich weiß nicht. Aber komisch ist es schon, oder?«
    Noch ehe Plotek oder Vinzi etwas sagen konnten, ging mit einem Poltern die Restauranttür auf. Alle starrten gebannt zum Eingang. Es war aber nicht Andrea Robbi, auch nicht sein Geist, der jetzt das Wang Tong 23 betrat, sondern Klemens, der völlig durchnässt hereinkam.
    »Scheiße, Bumsarsch … es schneit Hunde und Katzen … Hammelarsch, Brunzblase!«
    Als wäre das ein Zeichen für die Hauptkommissarin, sagte sie: »Ich muss!«
    Sie stand auf, zahlte und verabschiedete sich. Womöglich in den Feierabend Richtung Chur. Daraus wurde aber nichts.
    Als sie an der Tür ankam, war ein lautes Geräusch zu hören. Holzlaut vom Qigong. Ein Geräusch, als ginge die Welt unter. Dann flackerte das Licht. Bis es schließlich ausging.

7
    Das Geräusch resultierte von einer Lawine. Oder besser von zweien. Zwei mächtige Lawinen aus Schnee und vor allem Steingeröll waren fast gleichzeitig mit Getöse von den Bergen heruntergerauscht, sodass nun die Zufahrtsstraße nach Sils völlig blockiert war. Das Dorf war vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Der Strom war zwar schnell wieder zurück, aber es wurde mit einem, vielleicht auch zwei Tagen gerechnet, bis die Bergungsmannschaften die Straße nach Sils Maria freiräumen würden. Was aber fast alle Silser eher gelassen aufzunehmen schienen. Wer so abseits der Welt lebt, für den besteht nichts Außergewöhnliches darin, für ein paar Tage ganz auf den Anschluss an dieselbige zu verzichten. Bei manchen hatte man das Gefühl, sie waren sogar froh darüber, von dem Rest der Welt in Ruhe gelassen zu werden. Linard Jäggi zum Beispiel. Wenn es nach ihm ginge, hätte so eine Lawine den Verkehr von und nach Sils Maria das ganze Jahr über lahmlegen können. Anderen wiederum war die temporäre Isolation bestimmt ganz und gar nicht recht. Beat Zuberbühler sah wahrscheinlich durch die Lawinen den von ihm organisierten Elvis-Contest ernsthaft in Gefahr. Oder vielmehr alles, was an diesem Wettbewerb dranhing. Und das war ziemlich viel. Soll heißen: mediale Aufmerksamkeit, Zuwachs an Touristen und alles. Plotek wiederum war es wie den meisten Bewohnern einerlei. Er ließ sich in seinem täglichen Therapieprogramm nicht beeinflussen.
    Er lag auf dem Futon und genoss einmal mehr die resolute Bearbeitung durch Frau Wehrli, die wieder auf ihm herumturnte, als wäre er ein Barren. Wobei er an diesem Morgen mit anderen Augen auf den Engel über sich blickte. Sie wiederum guckte ganz normal, offenbar ahnte sie nichts von Ploteks Wissen um ihren Seitensprung.
    »Glauben Sie eigentlich auch, dass die Chinesen Sils einnehmen?«, fragte Plotek in Rückenlage, während Frau Wehrli sein gestrecktes Bein um 45 Grad anhob und zur Seite drehte. Dabei kippte sie seinen Fuß nach außen und stabilisierte die Hüfte.
    Frau

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