Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
»Dann brauchst du ja gar nicht mehr anzutreten.«
»Bumsarsch … ja! Die Krone … Arschritze … ist mir sicher!« Unklar, ob er das ironisch meinte oder sich tatsächlich schon auf dem Siegertreppchen des Elvis-Contests wähnte.
Agnes hielt noch immer ihren Glückskeks in der Hand. So lange, bis Vinzi fragte: »Und Sie ?«
Jetzt brach auch sie den Keks entzwei, holte den Zettel heraus und strich ihn auf dem Tisch glatt.
»Wer den Tiger weckt, darf sich nicht beklagen, wenn er brüllt.«
»Der Tiger hat ein weiteres Mal zugeschlagen.« Plotek sagte es an das Papierfitzelchen gewandt, als wäre das für alles verantwortlich.
Klemens ergänzte in die gleiche Richtung: »Der dritte Elvis-Tote … Pisslappen, Bumsfritte … ist Österreicher … Kacknudel.«
»Und wie es aussieht, wird er nicht der Letzte sein.« Agnes gerierte sich selbst als Zettelchen, weniger eines des Glücks als der Katastrophe. Eine Art pessimistisches Orakel.
»Wie willst du das wissen?«
Sie warf einen weiteren Glückskeks hoch in die Luft und fing ihn auf. Wieder brach sie das Gebäck entzwei, holte den Zettel heraus und las: »Wer nicht kann, wie er will, muss wollen, wie er kann.«
»Hä?« Für Plotek wie auch für Vinzi war die Botschaft nicht entschlüsselbar. Klemens schüttelte den Kopf, unklar, ob er ebenfalls Verständnisschwierigkeiten hatte oder ob er die Botschaft auf keinen Fall akzeptieren wollte.
Agnes hingegen machte sich sogleich ans Interpretieren.
»Der Mörder wird nachlässiger«, sagte sie. »Enthemmter. Er bemüht sich erst gar nicht mehr, den Ermordeten zu entsorgen. Zuerst hat er es noch mit einem Trick versucht, mit einer Täuschung. Das Opfer sollte wie ein Kältetoter daherkommen. Dann wollte er die Leiche verstecken. Und zwar so, dass sie niemand findet. Einbetoniert in die Schalungstafeln. Und jetzt lässt er sie einfach an Ort und Stelle zurück.«
»Er legt keinen großen Wert mehr darauf, seine Tat zu kaschieren«, spann Vinzi den Gedanken weiter.
»Was bedeutet das?«, wollte Plotek wissen.
»Er verschiebt die Grenzen.« Agnes gerierte sich nicht mehr nur als Orakel, sondern auch als Hobbypsychologin. »Er handelt zwanghaft. Er kann nicht anders. Wer nicht kann, wie er will, muss wollen, wie er kann.«
Vinzi und Plotek blickten sich verständnislos an.
»Und was hat das zur Folge?«, fragte Plotek, wie man fragt: »Geht es auch ein bisschen deutlicher?«
»Er wird weitermorden.« Deutlicher ging es nicht.
»Was?« Entsetzen bei Agnes’ Zuhörern.
»Kackbalken, Rotzfresser, verflucht, Fucker!«
»Ja, so lange, bis wir ihn stoppen«, sagte Agnes unbeeindruckt.
»Wir?« Ungläubige Blicke der drei.
»Ja, klar wir. « Als wäre das das Normalste von der Welt. »Oder glaubt ihr vielleicht, die unbegabte Kriminaldarstellerin Frischknecht bringt den Mörder zur Strecke?«
Agnes mochte die Hauptkommissarin offenbar immer weniger. Vermutlich bevorzugte sie lieber die mit den schlecht sitzenden Lederjacken und den Cordhemden samt Druckknöpfen. Die waren zumindest berechenbarer.
»Weiß nicht.« Plotek war alles andere als überzeugt.
»Ich aber.« Das umso mehr. »Bevor die den Mörder fängt, ist die Welt elvisfrei.«
Vielleicht gar nicht so schlecht, dachte Plotek im ersten Moment, ertappte sich sogleich selbst bei diesem frevlerischen Gedanken und wurde ein bisschen rot.
Klemens schüttelte den Kopf, als wollte er fragen: »Warum gerade wir?«, sagte dann aber: »Kackstulle, Bumsknödel, Buschkuh!«
Und während die drei noch zögerten, legte Agnes schon los.
»Was ist das, was die Toten miteinander verbindet?«, fragte sie, um gleich darauf die erste Gemeinsamkeit festzustellen. »Es sind alles Elvisse, klar.«
Bestätigung von den anderen.
»Und was noch?«
Alle dachten nach. Außer gekräuselten Stirnen kam aber nichts. So zahlreich schienen die Gemeinsamkeiten dann doch nicht zu sein.
»Und?« Agnes gerierte sich nun als Nachhilfelehrerin einer Horde denkfauler Pennäler, die sich lieber mit Mädchen mit dicken Brüsten beschäftigten als mit Algebra.
»Der Geruch«, sagte Plotek, selbst davon überrascht, dass ihm das jetzt eingefallen war.
»Genau.« Anerkennendes Lächeln von Agnes.
»Alle rochen gleich«, wollte auch Vinzi sich als Musterschüler hervortun und Punkte bei der Lehrerin sammeln.
»Exakt … Kacklauch, Fischmöse, Bumsarsch …«
»Alle rochen nach Gentleman von Givenchy«, fasste Agnes zusammen und unterbrach damit Klemens’
Weitere Kostenlose Bücher