Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
zurückhielt.
»Der Saal im Hotel, wo der Wettbewerb eigentlich hätte stattfinden sollen, ist bereits ausverkauft.« Aus Agathas Mund sprudelten nur so die Worte. »Wir bräuchten eine größere Location. Ich bin sicher, dass wir fast doppelt so viele Karten verkaufen könnten. Wenn das so weitergeht …« Agatha unterbrach sich. Offenbar merkte auch sie jetzt, in welches Fahrwasser sie geraten war.
Noch ein Toter, dachte Plotek, und ein erneuter Anstieg der Besucherzahlen wäre die Folge. Die Rechnung lautete anscheinend: je mehr Tote, umso mehr Zuschauer.
»Vielleicht bauen wir einfach ein Zelt auf«, sagte Beat in die kurze Pause hinein und schien herausfinden zu wollen, was Ploteks eigentlicher Grund für seinen Besuch im Laden war.
»Ein Zelt?« Vinzi sah ihn an, als hätte Beat »Ein Iglu« gesagt.
»Ja, in einem Tag steht so ein Ding. Mit Zeltheizung und allem Pipapo. Da gehen paar tausend Leute rein.« Er schien schon den Zaster klingeln zu hören und lächelte das erste Mal in Gegenwart der beiden.
»Aber das musst du doch erst genehmigt bekommen«, sagte Plotek.
Das Lächeln war zwar dahin, die bessere Stimmung allerdings nicht.
»Kein Problem, den Platz gibt’s, man könnte es auf den Schulhof platzieren. Dank meiner Beziehungen geht das ruckzuck.«
»Ilona Wehrli?«, fragte Plotek.
»Exakt.«
Das Kind brüllte noch immer im Kinderwagen, sodass Agatha es jetzt herausnahm und wie einen Sack über die Schulter hängte. Sofort beruhigte es sich. Aufmerksam sah es sich um, höchstwahrscheinlich auf der Suche nach irgendetwas Bekömmlichem, das es zwischen die Zähne kriegen konnte.
Die Dame scheint tatsächlich großen Einfluss in Sils zu haben, dachte Plotek in Bezug auf Ilona Wehrli.
»Sagt mal, meint ihr, dass wir euch ebenfalls für die Organisation einplanen könnten?«, fragte Agatha und wippte das Kind auf der Schulter. Eine Hand klopfend auf dem Rücken, die andere unter den Hintern haltend, jedenfalls beide mit Sicherheitsabstand zum Mund.
»Uns?«, fragte Plotek, der das Kind nicht mehr aus den Augen ließ.
»Na ja, es gibt durch den Zuschauerboom einiges zu tun. Kartenabreißen, Merchandising-Verkauf vor Ort etc.«
»Ich bin auf Kur«, sagte Plotek, was so klang wie: »Ich darf mich nicht anstrengen.«
»Ich weiß nicht!«, sagte Vinzi, was sich wiederum so anhörte wie: »Ich bin Krüppel, und Arbeit ist nicht meine Stärke.«
»Wenn wir niemand anderen mehr finden und in einen Engpass kommen, darf ich dann noch mal auf euch zukommen?« Agatha, ganz Geschäftsfrau, ließ nicht locker und drehte sich dabei mit dem Kind auf der Schulter hin und her.
»Okay«, kam von Vinzi und »Hmm« von Plotek.
Beat lächelte wieder, während das Kind auf der Schulter von Agatha plötzlich in hohem Bogen Halbverdautes aus sich herausspie. Die Kotze landete genau da, wo Vinzi mit seinem Rollstuhl stand, und mutete auf seinen Beinstümpfen wie das Schüttbild eines ambitionierten Malers an.
»Verfluchte Scheiße!«
»Huch, Kyra hat Bäuerchen gemacht«, sagte Agatha beschwichtigend. Sie nahm Kyra von ihrer Schulter und wischte ihr mit einer Küchenrolle den Mund ab.
Das war kein Bäuerchen, das war ein ziemlich großer Schwall Kotze, dachte Plotek, während auch Vinzi zur Küchenrolle griff.
Den Positionswechsel von der Schulter zur Brust nutzte die bissige Kyra nun schamlos aus, als hätte sie die ganze Zeit nur darauf gewartet. Sie schlug gnadenlos zu und biss einmal mehr ihrer Mutter in die Hand. Agatha schrie, reichte das Kind an Beat weiter, der es in die Höhe hob und anbrüllte. Woraufhin das Kind schrie und nun wieder in den Kinderwagen verbannt wurde. Agathas Hand blutete, und Vinzis Hose stank bestialisch. Die Laune war bei allen dem Tiefpunkt nahe.
Ein guter Zeitpunkt, um sich hier zu verabschieden, dachte Plotek. Als dann auch noch Douglas McCarther in den Laden kam und sich mit Beat in ein kleines Büro hinter dem Tresen zurückzog, brachen Plotek und Vinzi auf.
Kaum standen sie auf der Straße, kam auch McCarther wieder aus dem Laden.
»War aber ein kurzer Besuch«, sagte Vinzi und deutete mit dem Kopf auf den mit lautem Geschrei herausstürzenden Ami, den Beat am Schlafittchen gepackt hatte und nun unsanft vor dem Anglergeschäft entsorgte. Direkt vor Ploteks Füße und Vinzis Rollstuhl.
M it »Arschloch!« verabschiedete sich Beat von McCarther.
Der dünne Amerikaner war trotz des Zusammenstoßes mit Beat Zuberbühler erstaunlich gut gelaunt. Er lachte, stand vom Boden
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