Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
schadenfroh, sondern albern wie ein Mädchen im Vorschulalter. Dann sah sie zuerst Plotek an, lange und mit vom Lachen glasigen Augen, anschließend Vinzi. Sie nahm ihre Hand wieder von Ploteks Schenkel und sagte: »Man ist nie zusammen.«
Ihr Blick wanderte zwischen Klemens, Jäggi, Frau Pan, Vinzi und Plotek hin und her, bevor sie nachlegte: »Oder besser: Am Ende ist man immer allein.«
Vinzi bestätigte mit einem vehementen Nicken. Klemens hingegen schüttelte den Kopf und sah Marlies sehnsüchtig hinterher. Zumindest mit dem schielenden Auge. Das andere heftete sich auf einen Bierdeckel auf der weißen Tischdecke.
Nach dem Dessert ging das Brautpaar von Tisch zu Tisch und erkundigte sich über das Wohlbefinden seiner Gäste. Beat und Agatha hielten hier und dort einen kleinen Plausch ab, bedankten sich für die Geschenke und lachten viel, wie Animateure auf der eigenen Hochzeitsfeier.
»Ist das alles gekünstelt!«, murmelte Jäggi, während er die aufgedrehten Brautleute beobachtete.
»Was denn?« Es war Klemens, dem die destruktive Stimmung des Dorfpolizisten langsam auf die Nerven ging.
Linard Jäggi zeigte mit dem Kopf in die Richtung des Brautpaares. »Die tun ja gerade so, als wäre das hier eine Show, ein Event !« Er sprach Event wie etwas ganz Widerliches aus und verzog dabei das Gesicht. »Da ist doch nichts Echtes dran.«
»Sie meinen, alles gespielt?«
»Schlecht gespielt.«
»Warum besuchen Sie dann diese Veranstaltung?«
»Das verstehen Sie nicht!« Jäggis Stimmung schien noch schlechter zu werden.
Als das Brautpaar zwei Tische von Ploteks entfernt bei Selina Wehrli, ihrem Mann und ihrer Mutter ankam, schien alle Ausgelassenheit bei Beat dahin. So eingeschüchtert wirkte er, dass es Plotek so vorkam, als wäre er nicht Mitte zwanzig, sondern zwölf und stünde ohne blassen Schimmer an der Schultafel vor vermeintlich unlösbaren mathematischen Gleichungen. Selina hingegen sah Beat an, als hätte sie die Lösung parat, würde sie ihm aber erst in der Hochzeitssuite verraten . Dr. Wehrli wiederum war, wie sein stoischer, fast gleichgültiger Blick vermuten ließ, nur körperlich anwesend. Der kleine Leandro saß wieder blass wie ein Blatt Papier auf dem Schoß von Ilona Wehrli und kämpfte auffällig gähnend mit dem Schlaf. Am liebsten wäre der Vater mit dem Sohn nach Hause, das war klar. Aber keine Chance.
»Ich bringe Leandro ins Zimmer hoch«, sagte Selina und stand vom Tisch auf.
»Aber wäre es nicht vielleicht besser, wenn ich mit Leandro nach Hause …«
»Matteo!« Es war Ilona Wehrli, die den Vorschlag ihres Mannes schon im Ansatz erstickte.
»Jetzt haben wir hier extra ein Zimmer für Leandro bekommen und auch alles für die Nacht mitgebracht«, bemühte sich Selina um Matteos Verständnis, während sie ihre Handtasche öffnete und wie zum Beweis das Babyfon auf den Tisch legte.
Dr. Wehrli gab sich geschlagen und sank in sich zusammen. Selina zupfte sich das Kleid zurecht, nahm den kleinen Leandro vom Schoß der Schwiegermutter und verschwand mit ihm aus dem Speisesaal. Dabei wurde sie sowohl von den Versammelten am Tisch als auch von Bräutigam und Braut genau beobachtet.
»Dann könnt ihr auch mal richtig feiern!« Agatha sagte es an Matteo gewandt und sah dabei so aus, als freue sie sich selbst schon darauf.
Bei Dr. Wehrli schienen die Worte erst gar nicht anzukommen. Selbstvergessen spielte er am Empfängergerät des Babyfons herum.
»Und bei euch auch alles klar?« Agatha war jetzt am Tisch von Plotek angekommen.
Alle bis auf Linard Jäggi nickten wie auf einem Heavy-Metal-Konzert.
»Was steht jetzt noch so auf dem Programm?«, wollte Vinzi wissen.
»Tanz, Party und …« Agatha stockte, beugte sich zu Plotek und den anderen herunter und flüsterte so leise, dass es niemand außer ihnen und auf keinen Fall Beat hören konnte: »… Brautentführung.«
»Na dann, viel Spaß!«, sagte der Dorfpolizist, was alles andere als spaßig klang, und nahm einen Schluck vom Bier.
Nach dem Essen begaben sich Plotek und Vinzi auf die Terrasse an der Rückseite des Hotels. Vinzi rauchte im Rollstuhl genüsslich einen Joint, und Plotek sah ihm dabei zu. Oder besser: Beide sahen einem kleinen Mann mit langen Haaren und zotteligem Bart zu, wie er im Trainingsanzug auf dem schneebedeckten Grundstück, das von hohen Bäumen eingefasst hinter dem Hotel lag, herumsprang, als hätte er Peperoni im Hintern. Und zwar welche von der ganz scharfen Sorte. In der Hand hielt er einen
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