Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Gott dir anvertraut, als Deinen Ehemann lieben und ehren und die Ehe mit ihm nach Gottes Gebot und Verheißung führen in guten und in bösen Tagen, bis der Tod euch scheidet, so antworte: Ja, mit Gottes Hilfe.«
Agatha zögerte nicht.
»Ja …mi…Go…Hi…e.« Die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund, sodass kaum eines davon zu verstehen war. Eigentlich war gar nichts zu verstehen. Auf den billigen Plätzen in den hinteren Kirchenbänken hob Getuschel an.
»Was hat sie gesagt?«, war die glockenhelle Stimme eines Kindes zu hören, das von der Mutter sogleich mit »Pscht!« diszipliniert wurde.
»Nehmt die Ringe, das Zeichen eurer Liebe und Treue, steckt sie an die Hand des euch Angetrauten und sprecht: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
Die Eheleute taten wie ihnen befohlen, während nun auch Plotek mit dem Schlaf kämpfte.
»Im Namen Gottes und seiner Kirche bestätige ich den Ehebund, den ihr geschlossen habt«, sagte der Pfarrer ganz feierlich und schob ein »Amen!« hinterher.
»Nein!!!« Vinzi schreckte im Schlaf hoch, womöglich geplagt von einem üblen Traum, und schrie quer durch das Kirchenschiff, dass die anwesenden Gäste zusammenzuckten und Vinzi selbst erwachte. Folge: Hunderte Blicke ruhten auf ihm wie Fliegen auf einem frisch applizierten Kuhfladen. Die meisten schienen sich in ihrer Vermutung bestätigt zu sehen, dass der schmuddelige Krüppel nicht ganz koscher war. Manche schüttelten den Kopf, andere lächelten verächtlich. Der Segen des Pfarrers beruhigte die Gemeinde dann wieder und beendete gleichzeitig die liturgische Zeremonie. Große Erleichterung machte sich breit, als sich die hungrige Hochzeitsgesellschaft endlich ins Hotel Waldhaus zur Feier begeben konnte.
Der Feier im Waldhaus war deutlich anzusehen, dass die Gastgeber in einer anderen Liga spielten. Das war Luxus pur im Fünf-Sterne-Bereich.
»Wie sich das Beat bloß leisten kann?«, zweifelte Vinzi beim Anblick des ganzen Pomps im Speisesaal.
»Irgendwen wird er schon haben, der ihm das sponsert«, sagte Plotek, ähnlich skeptisch und auch ein wenig eingeschüchtert von so viel Pracht.
»Seinem Onkel gehört Hotel doch«, sagte Frau Pan, die ebenfalls zu den Hochzeitsgästen zählte und sich nun mit Plotek, Vinzi, Klemens und Agnes an einen Tisch setzte. Dort saß bereits Linard Jäggi, über dessen Anwesenheit sich alle wunderten.
»Vielleicht hat ja auch die alte Wehrli ihre Hände im Spiel«, sagte der Dorfpolizist mit einem bitteren Zug um den Mund. Er trug selbst auf der Hochzeitsfeier seine speckige Dienstuniform und die Pfeife im Mund, obgleich die wegen des Rauchverbots im Hotel nicht angezündet war.
»Na ja, wenn der Verkauf der Karten und der Merchandising-Produkte so weiterläuft, dann wird Beat schon einen enormen Reibach machen«, sagte Agnes. Sie sah den Dorfpolizisten an, als hätte sie noch eine Rechnung mit ihm offen. »Da kann man sich so eine Hochzeit schon mal leisten.«
Linard Jäggi verzog das Gesicht, als käme bei seiner Rechnung was ganz anderes heraus.
»Man heiratet ja nicht alle Tage«, stieß Klemens ins gleiche Horn. Schimpfwortfrei. Was sicher auf die zwei Joints zurückzuführen war, die er mit Vinzi auf dem Weg von der Kirche zum Hotel geraucht hatte.
»Hat er jetzt das Zelt für den Contest genehmigt bekommen?« Agnes fragte es Jäggi, sichtlich bemüht, die Vertrautheit wiederherzustellen. Vielleicht hielt sie ihn ja nach wie vor nützlich für die Ermittlungen.
»Leider ja.« In Jäggis Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Wut und Trauer zu sehen. »Auf dem Schulhof stellen sie es auf.«
»Wann?«
»Morgen.«
Plotek erschrak. Es war aber nicht der geplante Zeltaufbau, der ihn beunruhigte, sondern Marlies, die er jetzt im Jugendstil-Speisesaal erblickte. Und doppelte Überraschung: Sie sah verdammt gut aus. Ein taubenblaues Kleid konterkarierte ihre molligen Körperformen, die damit nicht mehr ganz so mollig wirkten. Was macht die denn hier?, dachte er, während Marlies ihm auffällig zuwinkte. An Ploteks Stelle hob Klemens die Hand und winkte zurück.
»Deine Freundin«, flüsterte Agnes Plotek zu und lächelte schadenfroh.
»Vergiss es!«
Agnes legte ihre Hand auf seinen Schenkel. Die lackierten Fingernägel sahen aus wie aufgeblähte Marienkäfer. Es fühlte sich gut an. Was Vinzi nicht entging.
»Seid ihr jetzt wieder zusammen?«, fragte er, wie man fragt: »Darf man schon das Aufgebot bestellen?«
Agnes lachte, jetzt nicht mehr
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