Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
beiden zu einem Abschluss gekommen waren, das Weite. Der Grund: Die Blase drückte nicht mehr nur, sie schien schon geplatzt zu sein.
Als Plotek zurück war, wurde er von Agnes auf die Tanzfläche geschleppt. Lange konnte er sich allerdings nicht dort aufhalten. Denn im Vorbeigehen raunte ihm Agatha »Jetzt!« zu und dann ebenso leise: »Ich warte auf dem Parkplatz.«
Die Entführung, schoss es Plotek durch den Kopf. Und dann: Was ist das denn für eine Entführung, bei der die Entführte selbst das Kommando übernimmt?
Als Plotek – unschlüssig, was jetzt zu tun war – nicht reagierte, kam Agatha noch einmal auf die Tanzfläche zurück. Sie entriss Plotek Agnes, schmiegte sich an ihn und flüsterte ihm zu: »Na los, komm, entführ mich endlich!«
»Aber …«
»Bei jeder Hochzeit gibt es eine Brautentführung. Und wer könnte das besser als du und Vinzi?«
Sie schleuderte ihn wieder in Agnes’ Arme zurück, die ihn auffing und dabei lachte, während Agatha applaudierte. Aber nicht lange. Kurz nacheinander verschwanden Agath a, Plotek und Agnes von der Tanzfläche und aus dem Speisesaal.
Sie schlichen unbeobachtet zum Hinterausgang des Hotels und von da hinaus auf den Hof. Da standen auch schon Klemens und Vinzi im Rollstuhl.
»Schnell, schnell!!!«
»Wohin?«
»Hoch in die Chesa Rocco «, sagte Agatha ganz aufgeregt und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum wie zuvor noch der Maler mit dem Gartenschlauch. »Schnell, schnell, damit Beat nichts merkt.«
Sie bestiegen den Wagen von Agnes. Die Braut saß hinten zwischen Vinzi und Plotek. Klemens auf dem Beifahrersitz neben Agnes.
»Na los, gib Gas!«, feuerte Agatha Agnes an. Sie klang, als hätte sie auch schon ein Piccolöchen zu viel getrunken.
Sie fuhren den Berg hinauf in Richtung Fexer Tal. Agnes fuhr wie mit drei Piccolöchen zu viel. Plotek wurde es ganz übel. Er schloss vorsorglich die Augen.
»Und wohin?«
»Immer geradeaus.«
Sie passierten das Haus von Beat und Agatha.
»Da vorne, da ist die Chesa Rocco .«
Es war ein herrschaftliches Anwesen mit Pension und Gaststätte mitten im Wald auf einer kleinen Anhöhe. Drumherum war nichts außer Natur. Jetzt: weiße Natur. Wie sich herausstellte, gehörte die Pension den Eltern von Britta, der Qigong-Expertin. Sie war jetzt ebenfalls zugegen. Aber nicht nur sie. Ein kleiner Teil der Hochzeitsgesellschaft hatte sich schon in der Pension Rocco eingefunden, die Plotek und die anderen nun betraten.
Neben Britta waren Linard Jäggi, Marlies, Dr. Wehrli und Frau Pan anwesend. Selina hingegen fehlte. Manche der Gäste tanzten schon ausgelassen in der Gaststube, andere prosteten sich beschwipst zu. Als die entführte Braut den Gastraum betrat, brach Jubel aus, als wäre ein Land gerade von seinen Besatzern befreit worden. Zum ersten Mal am Abend schien auch Britta glücklich zu sein. Sie strahlte wie noch nie zuvor an diesem Tag. Ob es daran lag, dass Selina nicht hier war? Auf jeden Fall wirbelte sie in der Gaststube herum, als wäre sie die Braut und noch nicht ganz entschieden, wer der Bräutigam sein würde. Wobei Dr. Wehrli im Ranking ganz oben zu vermuten war.
»Haben die was miteinander?«, wollte Vinzi beim Anblick von Britta und Dr. Wehrli wissen.
»Nach was sieht es denn aus?«, fragte Plotek zurück.
»Nach unausgelebter Liebe!«, kam von Vinzi.
Das sollte sich nicht viel später bestätigen.
Als Plotek nämlich vor der Chesa Rocco stand, mit Klemens und Vinzi, die beide mal wieder rauchten, trieb ihn die Kälte früher als die beiden anderen zurück ins Haus. Wobei er den näher liegenden Hintereingang nahm und somit, ob er wollte oder nicht, an der Waschküche vorbeikam. Da wurde um diese Zeit zwar nicht mehr gewaschen. Dennoch schien einiges darin los zu sein. Eine Frau und ein Mann waren in ein Gespräch verwickelt. Plotek musste auf dem Flur nicht lange zuhören, da war auch schon klar, wer es war. Britta und Dr. Wehrli.
»Britta, bitte, das kannst du von mir nicht verlangen.«
»Ich liebe dich, Matteo.«
»Ja, ich weiß, aber, aber ich will meine Frau nicht aufgeben. Das musst du verstehen. Da hängt viel zu viel dran, für mich. Verstehst du das denn nicht?«
»Doch, doch, Matteo, ich versteh das doch alles. Aber trotzdem möchte ich mehr von dir.«
Also wurde doch schmutzige Wäsche gewaschen, dachte Plotek mit dem Ohr an der Tür. Im übertragenen Sinne jetzt.
»Lass dass bitte, Britta!«
»Nimm mich!« Und wieder. »Los, nimm mich endlich! Du sollst mich
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