Silver Dragons 01 - Ein brandheisses Date
protestierend aufheulte und auf seinen Arm einschlug. »Hören Sie sofort mit dem Geschrei auf, oder ich sorge dafür, dass Sie endlich still sind! Hier!« Er hielt dem Zollbeamten, der hastig Platz machte, einen Ausweis hin.
»Hilfe!«, schrie ich und versuchte mich loszureißen. »Ich werde entführt! Hilfe! Er …«
Der Mann wandte sich mir mit erhobener Faust zu, und dann explodierte ein weiß glühender Schmerz in meinem Kopf. Danach versank ich in einer Dunkelheit, die mich tröstend umfing. Ich wandelte über die Pfade der Schattenwelt, jenem Ort zwischen den Realitäten, den nur wenige erreichen und noch viel weniger verlassen können, wenn sie erst einmal dort sind. Es war eine Traumwelt für die, denen die Realität zu viel geworden war, und einen Augenblick lang war ich versucht, dort zu bleiben, in Sicherheit und ohne Schmerzen. Aber dann sah ich Gabriel vor meinem inneren Auge, und die Erinnerung an seine brennenden Küsse schürte mein Verlangen aufs Neue.
Ein kalter Wasserschwall brachte mich aus der Schattenwelt wieder in meinen Körper zurück. Spuckend und würgend setzte ich mich auf und wischte mir das Wasser aus dem Gesicht. » Agathos daimon! «
»Du wirst vor die Kammer gerufen«, sagte eine völlig emotionslose Stimme. Blinzelnd blickte ich den schlanken jungen Mann an, der vor mir stand.
»Wer bist du? Und wo bin ich?«
»Ich bin Tej, der Lehrling von Monish Lakshmanan. Du bist in Paris.«
»Paris«, stöhnte ich und stand mühsam und unter Schmerzen auf. Die Laser-Verbrennungen waren schon lange verheilt, aber mein Handgelenk tat immer noch weh und war blau angelaufen. Die Szene mit dem Diebesjäger und dem dunkelhaarigen, grobschlächtigen Mann stand mir auf einmal wieder vor Augen. »Was ist mit dem Diebesjäger passiert?«
»Porter? Er holt sich seine Belohnung. Bitte kommen Sie hier entlang.«
Ich stolperte aus dem kleinen Zimmer und blicke mich hektisch nach einer Fluchtmöglichkeit um. Unsere Schritte hallten in dem langen Flur, in dem hier und da Stühle und kleine Tische standen. »Wo genau in Paris?«, fragte ich.
»Im Suffrage House«, antwortete er.
Mein Herz sank. Suffrage House war die Villa einer längst verstorbenen Suffragette, die das Au-delà gekauft und zu seinem Hauptquartier gemacht hatte. Obwohl ich in einem kleinen, dunklen Raum eingesperrt gewesen war, der offenbar als Gefängniszelle genutzt wurde, da er ohne jegliche Möbel war, musste ich zugeben, dass ich schon an viel schlimmeren Orten gewesen war.
»Wer ist Monish Lakshmanan?« Ich blickte Tej fragend an. Er schien Inder zu sein, und er musterte mich misstrauisch aus sanften braunen Augen, während wir den langen Flur entlanggingen.
»Monish ist ein Orakel und Mitglied der Wache.«
Na wundervoll. Die Wache war so etwas wie die Polizei des Au-delà, und ich konnte mir Schöneres vorstellen, als einem ihrer Mitglieder zu begegnen. »Ich stelle ja ungern ständig Fragen, aber wohin gehen wir?«
»Zum Sozialdienst. Du musst telefonieren, ja?«
Wir betraten ein Büro mit vier Schreibtischen. An dreien saßen Frauen, die aussahen wie Sekretärinnen.
Vor dem Schreibtisch, der uns am nächsten war, stand ein Mann, der gerade sagte: »… nachdem er sie mir gestohlen hatte. Porter hat keinen Anspruch auf die Belohnung, weil ich die ganze Arbeit getan und sie zuerst gefangen habe.«
»Hör mit dem Gejammer auf!«, knurrte der unangenehme dunkelhaarige Mann, der danebenstand. Tej ging mit mir zu dem leeren Schreibtisch und wies mich an, mich auf den Stuhl dort zu setzen. »Du kennst die Regeln ebenso gut wie ich – derjenige, der den Verdächtigen bringt, bekommt die Belohnung. Ich nehme sie jetzt entgegen.«
»Das gilt nur, wenn der Verdächtige einem Diebesfänger entkommt, das weißt du ganz genau«, erwiderte Savian und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Tatsache ist aber, dass du sie mir gestohlen hast. Du hast sie nicht aufgegriffen, sondern du hast sie gestohlen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hast du auch noch eine illegale Leibesvisitation bei ihr vorgenommen, als ich dich gefunden habe.«
»Eine illegale Leibesvisitation?« Die Frau am Schreibtisch runzelte die Stirn.
»Was für eine illegale Leibesvisitation?«, fragte ich. Mir wurde übel bei dem Gedanken, dass dieser Porter mich angefasst hatte, während ich bewusstlos war.
»Halt dich da raus, das geht dich nichts an!«, knurrte der fiese Typ (der anscheinend Porter hieß).
Die Worte hallten in meinem Kopf.
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