Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
hinunter, um jede Spur zu verstecken.
Wer ihn beobachtet hätte, hätte ihn für verrückt gehalten. Er hatte sich jedoch seit Monaten nicht mehr so klar gefühlt.
Erschüttert, das schon. Aber klar.
Der Heilungsprozess setzte langsam ein, ein Wunder für einen Menschen, aber dem natürlichen Rhythmus eines Vampirs entsprechend.
Das in der Krypta durchgeführte Ritual war eindeutig erfolgreich gewesen. Winter hatte ihn verlassen und seine Unsterblichkeit mitgenommen.
»Du wolltest mich sehen?«, fragte Hywel Llewelyn respektvoll bei seinem Erscheinen.
Rhys nickte. »Ich glaube, es ist besser, wenn du dich hinsetzt«, sagte er mit der Andeutung eines Lächelns.
Er wartete, bis sein Vater auf einem niedrigen Sofa Platz genommen hatte, dann setzte er sich ebenfalls.
»Ich hätte deine Pläne unterstützt, Papa«, begann er und betonte jedes Wort. »Wirklich. Ich musste dorthin gelangen, wo du mich haben wolltest, und ich war nicht bereit, vorher innezuhalten.«
Hywel starrte ihn verständnislos an und Rhys betrachtete ihn mit einer Art resignierter Nachsicht. Ohne sich überlegen zu fühlen – das hatte er sein ganzes Leben lang getan und jetzt konnte er das Ergebnis sehen –, aber bewusst, das schon.
»Du und ich, wir sind uns im Grunde ähnlich«, gab er schließlich zu. »Du weißt selbst, dass ich das bedauere. Vielleicht kannst du dir nicht vorstellen, wie sehr, aber es war jedenfalls nie ein Geheimnis.«
Sein Vater schnaubte, teils resigniert, teils gleichgültig. »Willst du mir etwas mitteilen, Rhys?«
Der Junge lachte. »Ja, verdammt noch mal!«
Er machte eine Pause, froh über das, was er sich anschickte zu offenbaren.
»Ich habe meine MACHT verloren«, verkündete er dann. »Winter hat sie sich genommen, bevor sie …«
Bevor sie starb . Er sprach die Worte nicht aus. Er würde ihr Andenken nicht mehr entweihen.
Das Gesicht seines Vaters erstarrte.
»Niemand, der bei Verstand ist, würde das mit so einer Leichtigkeit hinnehmen, mein Sohn. Du bist nur verstört. Die MACHT fließt weiterhin kraftvoll in dir.«
»So wie immer, Vater. Aber ich bin wieder nur ich selbst. Einfach nur ich selbst. Das Spiel mit der Unsterblichkeit ist aus.«
Da explodierte die ganze Wut Hywels.
Er war bereit gewesen, sich vor ihm niederzuwerfen, solange er ihn für seine unbesiegbare Waffe gehalten hatte, genau wie Alaric Lochinvar.
Jetzt hingegen strömte sein Zorn in heißen Wellen.
»Ich glaube dir nicht.«
Rhys zuckte mit den Achseln.
»Das steht dir frei. Aber überlege es dir gut. Von diesem Moment an kannst du mich nicht mehr gebrauchen.« Er breitete die Arme aus und verschränkte sie hinter dem Kopf. »Bist du immer noch überzeugt, den Rat zerstören zu wollen?«
Er sah, dass Hywel vor Wut zitterte.
»Wir werden nicht aufgeben«, erklärte Hywel. »Ich lasse es nicht zu, dass du alles wegwirfst, was wir erreicht haben. Heute Abend wirst du mich unterstützen. Du wirst den Platz, den du einnimmst, behalten und lernen, ihn zu lieben. Es ist so leicht, die MACHT zu lieben, Rhys. Ich verbiete dir, sie in den Wind zu werfen, das schwöre ich bei meiner Ehre.«
Welche? Welche Ehre bleibt uns denn noch, Papa? , dachte Rhys, und ihn umfing ein Gefühl von Leere und Verlust.
Aber er schwieg. Er musste noch eine Weile durchhalten.
I ch habe langsam Angst bekommen«, sagte Cameron, als sich der Raum im Licht des Sonnenuntergangs rot färbte.
Winter schlug abrupt die Augen auf.
»Dass du hier im Koma neben mir lagst, hat mich bestimmt nicht für die Mühe entschädigt, die es mich gekostet hat, dich aus dieser verdammten Krypta rauszubringen.«
Das Mädchen schaute sich um, ihr Blick flog über jeden Winkel dieses ungewöhnlichen Raums.
Ihr Kopf war wie in Watte gepackt und sie hatte keine Erinnerung daran, wie sie hierhergekommen war … wo immer sie auch waren.
Sie blinzelte und stellte fest, dass sie sich gut fühlte, so leicht wie vielleicht noch nie in ihrem Leben.
Sie hatte doch eben noch von Krämpfen geschüttelt in der Krypta gelegen.
War sie vielleicht …
Winter legte die Hand auf ihre Brust und wunderte sich, das Klopfen ihres Herzens zu spüren. Das konnte nicht sein. Sie dachte, dass es an einem bestimmten Punkt zu schlagen aufgehört hätte. Sie war sich dessen sogar sicher gewesen.
Sie starrte Cameron fragend an. Die ungewöhnliche Gelassenheit, die auf seinem Gesicht lag, beruhigte sie.
»Wir sind tot, nicht wahr?«
Cameron schlug das Buch zu und lächelte sie an, während er
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