Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
er sich erhob, konnte Winter ein erwartungsvolles Zittern in Rhys’ Schultern erkennen.
»Meine Hochachtung, unser Herr und Meister. Die Logen haben dich als ihren neuen Anführer gewählt.« Hywel simulierte eine symbolische Verbeugung und richtete sich mit einem dreisten Grinsen wieder auf. »Ein langes Leben sei dir beschert!«, sagte er und fixierte dabei das Mädchen. »Ein geeigneter Spruch, nicht wahr, Miss Starr?«
Winter beachtete ihn nicht.
»Meinen Glückwunsch, Rhys«, zischte sie dagegen kühl. »Du hast erreicht, was du wolltest. Ich nehme an, du bist jetzt glücklich.«
Sie erhob sich steif.
»Das bin ich«, gab der Junge zu. »Das Schicksal hat sich erfüllt. Früher oder später wirst du es auch einsehen. Du brauchst nun nicht mehr zu fliehen.«
Winter blieb ausdruckslos. »Ich habe im Moment nicht die geringste Lust, da zu sein, wo du bist. Lass mich gehen. Du hast schon zu viel Schaden angerichtet.«
Hywel Llewelyn spannte die Muskeln an, bereit, sie am Verlassen des Zimmers zu hindern, doch Rhys hielt ihn zurück.
»Überlege es dir gut, Win. Du weißt, dass es nur eine Alternative gibt.«
Das Mädchen schluckte leer und drehte sich um.
»Das ist mir nur allzu bewusst«, sagte sie und verließ den Raum.
Lange Zeit irrte Winter im strömenden Regen umher. Sie wusste nicht mehr, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte, und es war ihr auch egal.
Plötzlich brauste ein schwarzer SUV mit getönten Scheiben mit quietschenden Reifen um die Ecke. Er röhrte über das Kopfsteinpflaster und versperrte ihr den Weg, indem er mit den Vorderrädern auf den Bürgersteig fuhr.
»Steig ein, Mädchen«, sagte Iago Rhoser aus dem heruntergelassenen Autofenster. »Und keine Spielchen. Diesmal bist du zu weit gegangen.«
Winter hob einen verschleierten Blick zu ihm hoch.
Dann erkannte sie die auf sie gerichtete Pistole.
Nur auf dem Pfad der Nacht
Nur auf dem Pfad der Nacht
gelangt man zur Morgenröte
Khalil Gibran
M organ Blackwood und Malcolm Dougall waren als Letzte in die Wohnung der Starrs zurückgekommen, nachdem sie stundenlang nach Winter gesucht hatten.
»Habt ihr etwas in Erfahrung bringen können?«, fragte Marion, als sie ihnen die Tür öffnete.
Morgan schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
Sie starrten sich schweigend an, während in ihren Augen viele gegensätzliche Gefühle aufleuchteten. Die Vergangenheit stand als unüberwindliches Hindernis zwischen ihnen.
Marion wusste, dass sie ungerecht war, aber ein Teil von ihr hätte vorgezogen, dass Blackwood wirklich tot wäre. Ihn zu sehen erinnerte sie an Elaine. Und mit ihr an alle schmerzlichen Momente ihres Lebens. Es öffnete Wunden, die in Wirklichkeit nie verheilt waren.
Und nun war Winter verschwunden.
»Warum bist du zurückgekommen, Morgan?«, fragte sie ihn so leise, dass nur er sie verstehen konnte.
»Meine Tochter brauchte mich. So wie Elaine ihre Mutter brauchte.«
Marion drehte ihm den Rücken zu.
»Elaine ist tot«, antwortete sie schroff. »Du solltest hoffen, dass mit Winter nicht das Gleiche passiert, sonst hast du ein weiteres Leben auf dem Gewissen.«
»Das wird nicht passieren. Ich schwöre es dir.«
Marion Starr zog sich ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer zurück, als wollte sie sich von den anderen Bewohnern dieses improvisierten Hauptquartiers distanzieren.
Madison seufzte. Die beiden Vampire waren völlig durchnässt, müde und zutiefst besorgt. Nun, wenn die Hausherrin selbst nicht gastfreundlicher sein wollte, musste wohl sie diese Rolle übernehmen, dachte das junge Mädchen.
»In der Küche steht heißer Kaffee bereit …«
Ihre Augen begegneten den leuchtend grauen Augen Morgan Blackwoods und er lächelte sie dankbar an.
»Danke«, murmelte er.
Madison winkte ab.
Jetzt, wo sie ihn aus der Nähe sah, konnte sie nicht mehr übersehen, wie sehr Winter ihrem Vater glich. Sie hatten die gleichen Farben, und es gab eine gewisse Familienähnlichkeit.
»Ich meine, dafür, dass du immer an Winters Seite warst.«
»Es fällt leicht, Winter gernzuhaben, Mr Blackwood«, antwortete Madison.
In der letzten Zeit hatte sie oft versucht sich vorzustellen, wie der Vampir wohl ausgesehen haben mochte, der fähig gewesen war, die Welt aus Liebe auf den Kopf zu stellen. Sie entschied, dass er das passende Aussehen hatte: etwas gequält und von melancholisch angehauchter Schönheit.
Madison sah ihm nach, als er sich durch den Gang entfernte, und nickte befriedigt.
»Er hat dich lieb, Win«, sagte sie zu
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