Silver Linings (German Edition)
Tiffany zum Essen einladen kann. Meine Mutter versucht, ihr Lächeln zu verbergen, als sie ihr Portemonnaie vom Küchentisch holt. «Wo gehst du mit ihr hin?»
«Zum Crystal Lake Diner.»
«Dann müssten vierzig Dollar reichen, oder?»
«Schätze ja.»
«Wenn du wieder nach unten kommst, liegt das Geld hier auf der Arbeitsplatte.»
Ich dusche, rolle mir Deo unter die Achseln, benutze das Eau de Cologne meines Vaters und ziehe meine Khakihose und das dunkelgrüne Button-down-Hemd an, das meine Mom mir erst gestern von Gap mitgebracht hat. Aus irgendeinem Grund kauft meine Mutter mir systematisch eine komplette Garderobe – und jedes einzelne Teil ist von Gap. Als ich nach unten gehe, sagt Mom, ich müsste das Hemd in die Hose stecken und einen Gürtel tragen.
«Wieso?», frage ich, weil mir im Grunde egal ist, ob ich seriös aussehe oder nicht. Ich will doch bloß Tiffany ein für alle Mal loswerden.
Aber als Mom «Bitte» sagt, fällt mir wieder ein, dass ich versuche, lieber nett zu sein, als recht zu haben – und außerdem bin ich Mom was schuldig, weil sie mich von dem schlimmen Ort gerettet hat –, also gehe ich wieder nach oben und ziehe den braunen Ledergürtel an, den sie Anfang der Woche für mich gekauft hat.
Mom kommt mit einem Schuhkarton in mein Zimmer und sagt: «Zieh ein Paar dunkle Socken an und probier mal, ob die passen.» Ich mache den Karton auf, und zum Vorschein kommt so ein Paar schicke braune Lederslipper. «Jake hat gesagt, so was tragen Männer in deinem Alter in der Freizeit», sagt Mom. Als ich die Slipper anziehe und in den Spiegel schaue, bemerke ich, wie dünn meine Taille ist, und ich finde, ich sehe fast so schick aus wie mein kleiner Bruder.
Mit vierzig Dollar in der Tasche gehe ich durch den Knight’s Park zum Haus von Tiffanys Eltern. Sie ist schon draußen, wartet auf dem Bürgersteig auf mich, aber ich sehe ihre Mutter aus dem Fenster lugen. Mrs. Webster huscht hinter die Gardine, als unsere Blicke sich treffen. Tiffany sagt nicht hallo, sondern setzt sich in Bewegung, ehe ich stehen bleiben kann. Sie trägt einen rosafarbenen, knielangen Rock und einen leichten schwarzen Pullover. Ihre Plateausandalen lassen sie größer wirken, und ihr Haar ist um die Ohren herum irgendwie bauschig und fällt ihr bis auf die Schultern. Ihr Eyeliner ist ein bisschen dick aufgetragen, und ihre Lippen sind ganz pink, aber ich muss zugeben, sie sieht fabelhaft aus, was ich ihr auch sage. «Wow, du siehst heute Abend richtig toll aus.»
«Deine Schuhe gefallen mir», erwidert sie, und dann gehen wir dreißig Minuten, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Im Diner ist noch ein Tisch frei, und die Kellnerin bringt Gläser mit Wasser. Tiffany bestellt sich Tee, und ich sage, das Wasser genügt mir. Während ich die Speisekarte lese, mache ich mir Sorgen, dass ich nicht genug Geld habe, was albern ist, ich weiß, wo ich doch zwei Zwanziger dabeihabe und die meisten Gerichte weniger als zehn Dollar kosten, aber wer weiß, was Tiffany sich bestellen wird, und vielleicht will sie auch noch Nachtisch, und dann kommt noch das Trinkgeld dazu.
Nikki hat mir beigebracht, beim Trinkgeld großzügig zu sein. Sie sagt, die anstrengende Arbeit von Kellnerinnen wird zu schlecht bezahlt. Nikki weiß das, weil sie selbst während des Studiums – als wir beide an der La Salle University waren – gekellnert hat, und deshalb gebe ich jetzt immer ein fettes Trinkgeld, wenn ich essen gehe, nur um die Vergangenheit wiedergutzumachen, in der ich mich oft mit Nikki wegen ein paar Dollar gestritten habe, weil ich meinte, fünfzehn Prozent seien mehr als genug, schließlich bekäme ich auch kein Trinkgeld, ganz gleich, wie gut ich meine Arbeit machte. Inzwischen halte ich ein großes Trinkgeld für Ehrensache, weil ich ja übe, lieber nett zu sein, als recht zu haben, und während ich die Speisekarte des Diners lese, denke ich: Was, wenn nicht genug Geld für ein üppiges Trinkgeld übrig bleibt?
Ich bin so ins Grübeln vertieft, dass ich offenbar Tiffanys Bestellung verpasst habe, denn plötzlich sagt die Kellnerin: «Sir?»
Als ich meine Speisekarte hinlege, starren mich Tiffany und die Kellnerin beide an, als wären sie besorgt. Also sage ich: «Vollkornmüsli», weil ich gelesen habe, dass Müsli nur $ 2,25 kostet.
«Milch?»
«Wie viel kostet Milch?»
«Fünfundsiebzig Cent.»
Ich schätze, das kann ich mir leisten, also sage ich: «Ja, bitte», und reiche der Kellnerin meine Speisekarte.
«Das
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