Silver Linings (German Edition)
meinen Bruder auf den Asphalt geschmissen, und da ist mein Kopf einfach explodiert. Es war, als hätte ich meinen Körper verlassen und als würde mein Körper etwas tun, das ich nicht tun wollte. Eigentlich hab ich noch mit keinem darüber geredet, und ich hab gehofft, du würdest mir vielleicht zuhören, damit ich …»
«Warum hat der Mann deinen Bruder zu Boden gestoßen?»
Ich erzähle ihr die ganze Geschichte, von Anfang bis Ende, auch, dass mir der Sohn von dem kräftigen Typen nicht aus dem Kopf geht. Ich sehe noch immer den kleinen Jungen, wie er sich hinter dem Bein seines Vaters versteckt. Ich sehe den Kleinen weinen, schluchzen, ganz offensichtlich verängstigt. Ich erzähle ihr auch von meinem Traum, in dem Nikki den Giants-Fan tröstet.
Als ich mit der Geschichte fertig bin, sagt Tiffany: «Na und?»
«Na und?»
«Ich verstehe nicht, warum du dich deshalb so aufregst.»
Einen Moment lang denke ich, sie will mich vielleicht veralbern, aber Tiffanys Gesicht bleibt ernst.
«Ich rege mich auf, weil ich weiß, dass Nikki wütend auf mich sein wird, wenn ich ihr erzähle, was passiert ist. Ich rege mich auf, weil ich von mir selbst enttäuscht bin und die Auszeit jetzt mit Sicherheit länger ausfällt, weil Gott Nikki schützen wollen wird, bis ich lerne, mich besser zu beherrschen, und Nikki ist Pazifistin, wie Jesus, weshalb sie nie wollte, dass ich überhaupt zu diesen chaotischen Eagles-Spielen gehe, und ich will nicht zurück an den schlimmen Ort geschickt werden, und, Gott, ich vermisse Nikki so sehr, dass es weh tut, und …»
«Scheiß auf Nikki», sagt Tiffany und schiebt sich noch einen Löffel Vollkornmüsli in den Mund.
Ich starre sie an.
Sie kaut unbekümmert.
Sie schluckt.
«Wie bitte?», sage ich.
«Der Giants-Fan hört sich nach einem echten Kotzbrocken an, genau wie dein Bruder und dein Freund Scott. Du hast die Schlägerei nicht angefangen. Du hast dich nur verteidigt. Und wenn Nikki das nicht akzeptieren kann, wenn Nikki nicht für dich da sein will, wenn du dich schlecht fühlst, dann sage ich scheiß auf sie .»
«Sprich nicht so über meine Frau», sage ich und höre den brennenden Zorn in meiner Stimme.
Tiffany verdreht die Augen.
«Ich dulde es nicht, dass Freunde so über meine Frau reden.»
«Deine Frau, hm?», sagt Tiffany.
«Jawohl. Meine Frau, Nikki.»
«Du meinst, deine Frau, Nikki , die dich verlassen hat, während du in einer psychiatrischen Klinik behandelt wurdest. Warum ist deine Frau, Nikki , jetzt nicht hier bei dir, Pat? Frag dich das mal. Warum isst du dieses Scheißvollkornmüsli mit mir? Du denkst immer nur daran, wie du Nikki imponieren kannst, aber deine heißgeliebte Nikki scheint überhaupt nicht an dich zu denken. Wo ist sie? Was macht Nikki jetzt, in diesem Moment? Glaubst du wirklich, sie denkt an dich ?»
Ich bin zu geschockt, um etwas sagen zu können.
«Scheiß auf Nikki, Pat. Scheiß auf sie. SCHEISS AUF NIKKI!» Tiffany schlägt so fest mit den flachen Händen auf den Tisch, dass die Schale mit dem Vollkornmüsli einen Satz macht. «Vergiss sie. Sie ist weg. Kapierst du das nicht?»
Die Kellnerin kommt an unseren Tisch. Sie stemmt die Hände in die Hüften, presst die Lippen zusammen. Sie sieht mich an. Sieht Tiffany an. «Hey, Miss Dreckschleuder», sagt die Kellnerin.
Als ich mich umschaue, starren die anderen Gäste meine unflätige Freundin an.
«Wir sind hier nicht in einer Bar, okay?»
Tiffany sieht die Kellnerin an, schüttelt den Kopf. «Wisst ihr was? Leckt mich doch.» Und dann stürmt sie durch den Diner, zur Tür hinaus.
«Ich mach hier nur meine Arbeit», sagt die Kellnerin. «Meine Güte!»
«Tut mir leid», sage ich und gebe der Kellnerin alles Geld, was ich dabeihabe – den Zwanzigdollarschein, den meine Mutter mir zugesteckt hat, als ich ihr sagte, dass ich Tiffany auf ein Vollkornmüsli einladen wollte. Ich hätte gern zwei Zwanziger gehabt, aber Mom meinte, ich könne der Kellnerin keine vierzig Dollar geben, wenn das Essen bloß fünf kostet, selbst nachdem ich Mom sagte, wie wichtig ein üppiges Trinkgeld sei, was ich von Nikki gelernt habe, wie ihr ja schon wisst.
Die Kellnerin sagt: «Danke, mein Lieber. Aber Sie sollten jetzt Ihrer Freundin hinterhergehen.»
«Sie ist nicht meine Freundin», sage ich. «Sie ist bloß eine Bekannte.»
«Meinetwegen.»
Tiffany ist nicht draußen vorm Diner.
Ich schaue die Straße runter und sehe sie weglaufen.
Als ich sie einhole, frage ich, was denn los sei.
Sie
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