Silver Linings (German Edition)
es gewonnen haben. Einer von Cliffs Jungs drückt mir fünfzig Dollar in die Hand. Cliff erklärt, dass Jake das Startgeld für mich bezahlt hat, daher möchte ich meinem Bruder den Gewinn aushändigen, doch Jake lehnt ab. Am Ende beschließe ich, im Linc allen Bier zu spendieren, und ich höre auf, mit meinem Bruder über Geld zu streiten.
Nach Sonnenuntergang, als es allmählich Zeit wird, ins Lincoln Financial Field zu gehen, frage ich Cliff, ob ich kurz allein mit ihm reden kann, und als wir uns ein Stück von der Asian Invasion entfernt haben, sage ich: «Ist das in Ordnung?»
«Das hier?», erwidert er, und sein glasiger Blick lässt vermuten, dass er ein wenig angetrunken ist.
«Dass wir zwei hier abhängen wie Jungs. Mein Freund Danny würde das ‹repräsentieren› nennen.»
«Wieso nicht?»
«Na, weil Sie mein Therapeut sind.»
Cliff lächelt, hebt einen Finger und sagt: «Was hab ich Ihnen gesagt? Wenn ich nicht im Lederruhesessel sitze …»
«Sind Sie ein Eagles-Fan, genau wie ich.»
«Exakt», sagt er, und dann gibt er mir einen Klaps auf den Rücken.
Nach dem Spiel nimmt mich die Asian Invasion in ihrem Bus mit zurück nach Jersey, und die indischen Männer und ich singen ohne Pause, weil die Eagles die Packers 31:9 geschlagen haben, noch dazu live im Fernsehen. Als Cliffs Freunde mich vor meinem Elternhaus absetzen, ist es nach Mitternacht, doch der lustige Fahrer, der Ashwini heißt, drückt auf die Hupe des Asian-Invasion-Busses, und eine Tonbandaufnahme aller fünfzig Mitglieder, die den Schlachtruf schreien, ertönt. Ich befürchte, dass die ganze Nachbarschaft aus dem Schlaf geschreckt ist, aber ich muss trotzdem lachen, als der grüne Bus abfährt.
Mein Vater ist noch wach, sitzt im Wohnzimmer auf der Couch und guckt den Sportkanal. Als er mich sieht, sagt er nicht hallo, sondern singt laut den Eagles-Song. Also sing ich ihn noch einmal mit meinem Vater zusammen, und als wir am Ende den Schlachtruf skandiert haben, summt mein Vater die Melodie weiter, während er ab ins Bett marschiert, ohne sich auch nur mit einer einzigen Frage nach meinem Tag zu erkundigen, der, gelinde gesagt, außergewöhnlich gewesen ist, auch wenn Hank Baskett nur zwei Pässe mit einem Raumgewinn von siebenundzwanzig Yards gefangen hat und die Endzone noch finden muss. Ich überlege, ob ich die leeren Bierflaschen wegräumen soll, die mein Vater hinterlassen hat, doch meine Mutter hat mir eingeschärft, ich soll das Haus dreckig lassen, solange ihr Streik andauert.
Unten im Keller mache ich Krafttraining und versuche, nicht daran zu denken, dass ich Jakes Hochzeit verpasst habe, was mich noch immer ein bisschen deprimiert, obwohl die Eagles gewonnen haben. Ich muss das Bier und die indischen Kebabs abarbeiten, deshalb stemme ich noch stundenlang Gewichte.
[zur Inhaltsübersicht]
Das relative Elend
Als ich meine Mutter bitte, mir Jakes Hochzeitsfotos zu zeigen, stellt sie sich dumm. «Was denn für Hochzeitsfotos?», fragt sie. Doch als ich ihr erzähle, dass ich Caitlin kennengelernt habe – dass wir zusammen zum Lunch waren und ich die Existenz meiner Schwägerin bereits als Tatsache akzeptiert habe –, blickt meine Mutter erleichtert und sagt: «Na, dann kann ich die Hochzeitsfotos ja wohl wieder aufhängen.»
Ich sitze im Wohnzimmer vor dem Kamin, und sie lässt mich einen Moment allein. Als sie wiederkommt, reicht sie mir ein dickes Fotoalbum mit weißem Ledereinband und fängt an, große Bilderrahmen auf dem Kaminsims aufzustellen – Fotos von Jake und Caitlin, die bislang meinetwegen versteckt waren. Während ich das Hochzeitsalbum meines Bruders durchblättere, hängt Mom auch noch ein paar Porträts von Jake und Caitlin an die Wände. «Es war ein wunderschöner Tag, Pat. Wir hätten dich alle so gern dabeigehabt.»
Die gewaltige Kathedrale und die vornehme Empfangshalle lassen vermuten, dass Caitlins Eltern, wie Danny sagen würde, «Kohle ohne Ende haben», deshalb frage ich, was Caitlins Vater beruflich macht.
«Er war jahrelang Violinist bei den New Yorker Philharmonikern, aber jetzt unterrichtet er an der Juilliard School. Musiktheorie. Was immer das ist.» Mom ist fertig mit dem Aufhängen der Bilder, und sie setzt sich neben mich auf die Couch. «Caitlins Eltern sind nette Leute, aber eigentlich nicht unser Schlag, was auf dem Empfang nur allzu offensichtlich wurde. Wie seh ich auf den Bildern aus?»
Auf den Fotos trägt meine Mutter ein schokobraunes Kleid und eine blutrote Stola
Weitere Kostenlose Bücher