Silver Linings (German Edition)
Vorwand, schlecht über ihn zu sprechen?»
Cliff holt tief Luft. «Hmmm.»
«Ist meinem Dad denn nicht klar, dass ich auch ein psychopathischer Pillenschlucker bin?»
«Als Ihr Therapeut kann ich Ihnen attestieren, dass Sie garantiert kein Psychopath sind, Pat.»
«Aber ich schlucke alle möglichen Pillen.»
«Und trotzdem begehen Sie keinen Medikamentenmissbrauch.»
Ich verstehe, was Cliff meint, aber er begreift nicht richtig, wie ich empfinde – nämlich eine Mischung aus sehr komplizierten und schwer vermittelbaren Emotionen, wie mir klarwird –, also lasse ich das Thema fallen.
Als die Dallas Cowboys nach Philadelphia kommen, stehen das Zelt der dicken Männer und der Bus der Asian Invasion nebeneinander, und es wird eine Superparty gefeiert, zu der natürlich wieder ein Kubb-Turnier auf Kunstrasen, ein Satellitenfernseher, indische Kebabs und jede Menge Bier gehören. Aber ich kann mich nicht richtig amüsieren, weil um mich herum so viel Hass ist.
Das Erste, was mir auffällt, sind die selbstgemachten T-Shirts, die andere Fans kaufen und verkaufen und tragen. So viele verschiedene Slogans und Bilder. Auf einem T-Shirt ist eine Karikatur zu sehen von einem kleinen Jungen, der auf das Logo der Dallas Cowboys, einen Stern, uriniert, und der Schriftzug darunter lautet dallas = loser. T. O. = user . Auf einem anderen Shirt prangt eine große Pillendose mit dem bekannten Giftsymbol – Totenkopf mit gekreuzten Knochen – auf dem Etikett und darunter der Name Terrell Owens. Eine weitere Version zeigt vorn die Pillendose und hinten eine Pistole; darunter der Text: T. O., wenn’s beim ersten Mal nicht klappt, kauf dir eine Knarre. Ein Fan in der Nähe hat T. O.s altes Eagles-Trikot an ein drei Meter hohes Kreuz genagelt, ebenfalls übersät mit orangen Pillendosen, die genauso aussehen wie meine. Einige Leute verbrennen ihre alten T. O.-Trikots auf dem Parkplatz; menschengroße Puppen in T. O.-Trikots sind in einer Reihe aufgehängt, damit man mit Baseballschlägern auf sie eindreschen kann. Und obwohl ich keinen einzigen Dallas Cowboy mag, tut mir Terrell Owens irgendwie leid, weil er vielleicht nur irgendein trauriger Typ ist, der psychische Probleme hat. Wer weiß, vielleicht hat er ja wirklich versucht, sich umzubringen? Und trotzdem macht sich jeder über ihn lustig, als wäre seine Psyche ein Witz – oder vielleicht wollen sie ihn um den Verstand bringen, und nichts wäre ihnen lieber, als T. O. tot zu sehen.
Weil ich so schlecht werfe, fliegen Cliff und ich früh aus dem Kubb-Turnier. Ich verliere die fünf Dollar, die mein Bruder für mich vorgestreckt hat, und dann bittet Cliff mich, ihm zu helfen, ein paar Flaschen India Pale Ale aus dem Bus der Asian Invasion zu holen. Als wir im Bus sind, schließt er die Tür und sagt: «Was ist los?»
«Nichts», sage ich.
«Sie haben ja nicht mal hingeschaut, wo Ihre Wurfhölzer gelandet sind. Sie waren bei der Kubb-Partie absolut nicht bei der Sache.»
Ich sage nichts.
«Was ist los?»
«Sie sind hier nicht in Ihrem Ledersessel.»
Cliff setzt sich, klopft auf den Bus-Sitz und sagt: «Heute muss Kunstleder reichen.»
Ich setze mich auf den Sitz gegenüber von Cliff und sage: «Mir tut T. O. leid. Mehr nicht.»
«Er kassiert Millionen Dollar, um diese Art von Kritik zu ertragen. Und er braucht das anscheinend. Er zieht es ja regelrecht auf sich mit seinen Touchdown-Tänzchen und dem ganzen Trara. Und die Leute hier wollen nicht wirklich, dass T. O. stirbt. Sie wollen nur, dass er heute nicht gut spielt. Für sie ist das bloß ein Spaß.»
Jetzt weiß ich, was Cliff meint, aber mir kommt das nicht wie ein Spaß vor. Und egal, ob T. O. Millionär ist oder nicht, ich bin nicht sicher, ob mein Therapeut T-Shirts gutheißen sollte, die irgendwen ermuntern, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Aber ich sage nichts.
Als wir den Bus wieder verlassen, sehe ich, dass Jake und Ashwini im Finale des Kubb-Turniers sind, daher versuche ich, sie anzufeuern und den Hass auszublenden, der mich umgibt.
Auf den Tribünen im Linc singen die Leute fast die ganze erste Hälfte hindurch die Abkürzung für overdose – Überdosis: «O. D. – O. D., O. D., O. D. – O. D. – O. D.» Jake erklärt mir, dass die Leute früher, als Owens ein Eagle war, immer «T. O. – T. O., T. O., T. O. – T. O. – T. O.» gesungen haben. Ich beobachte Owens an der Seitenlinie, und obwohl er noch nicht viele Pässe gefangen hat, scheint er im Takt des
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