Silver Linings (German Edition)
O. D.-Songs zu tanzen, und ich frage mich, ob er wirklich so immun dagegen ist, dass siebzigtausend Menschen über seinen Beinahe-Tod durch eine Überdosis spotten, oder ob er sich in Wirklichkeit doch ganz anders fühlt. Wieder tut der Typ mir unwillkürlich leid. Ich frage mich, was ich machen würde, wenn siebzigtausend Leute darüber spotten würden, dass ich die letzten paar Jahre meines Lebens vergessen habe.
Bis zur Halbzeit fängt Hank Baskett zwei Pässe mit einem Raumgewinn von fünfundzwanzig Yards, aber die Eagles liegen 17:21 im Rückstand.
Die ganze zweite Hälfte hindurch kocht das Lincoln Financial Field. Wir Eagles-Fans wissen, was auf dem Spiel steht: Platz eins in der NFC East.
Als im dritten Viertel keine acht Minuten mehr zu spielen sind, nimmt die Partie eine radikale Wende.
McNabb wirft einen langen Pass an der linken Spielfeldseite entlang. Alle in meinem Block springen auf, um zu sehen, was passiert. Nummer 84 fängt den Ball im Dallas-Territorium, trickst die Defensive aus und stürmt in die Endzone, und dann bin ich in der Luft. Unter mir sind Scott und Jake. Ich reite hoch oben auf ihren Schultern. Alle in unserem Block wollen mit mir abklatschen, weil Hank Baskett endlich seinen ersten Touchdown in einem NFL-Match geschafft hat – nach einem 87-Yard-Pass –, und natürlich habe ich mein Baskett-Trikot an. Die Eagles sind dabei zu gewinnen, und vor lauter Glück vergesse ich die ganze Sache mit T. O. und denke an meinen Dad, der das Spiel zu Hause auf seinem Riesenfernseher guckt, und ich frage mich, ob die TV-Kameras mich vielleicht gezeigt haben, wie ich hoch oben auf Jakes und Scotts Schultern geritten bin. Vielleicht hat Dad mich in Lebensgröße auf seinem Flachbildschirm jubeln sehen, und vielleicht ist er sogar ein wenig stolz.
Eine Reihe von brenzligen Situationen beschleunigt unseren Herzschlag am Ende des letzten Viertels, als Dallas bei sieben Punkten Rückstand angreift. Wenn sie ausgleichen, droht Verlängerung. Aber Lito Sheppard fängt einen Pass von Bledsoe ab und trägt den Ball zum Touchdown in die Endzone, und das ganze Stadion schmettert den Eagles-Schlachtgesang und skandiert die Buchstaben, und der Tag gehört uns.
Als die Zeit abläuft, halte ich Ausschau nach T. O. und sehe ihn vom Spielfeld und in die Kabine sprinten, ohne auch nur einem einzigen Eagle die Hand zu schütteln. Er tut mir immer noch leid.
Jake und Scott und ich verlassen das Linc und laufen zur Asian Invasion – die von weitem leicht zu sehen ist, da sie aus fünfzig indischen Männern besteht, die für gewöhnlich eng auf einem Haufen zusammenstehen, alle in Brian-Dawkins-Shirts. «Sucht einfach nach fünfzig 20ern», sagen sie immer. Cliff und ich laufen aufeinander zu und klatschen uns mit High Five ab und schreien und brüllen, und dann skandieren alle fünfzig indischen Männer: «Baskett, Baskett, Baskett!» Und ich bin überglücklich. Ich packe den kleinen Cliff und hieve ihn mir auf die Schultern und trage ihn zum Bus der Asian Invasion, als wäre er Yoda und ich Luke Skywalker, der im Dagobah-System ausgebildet wird, im Mittelteil von Das Imperium schlägt zurück , der – wie ich ja schon gesagt habe – mein absoluter Lieblingsfilm ist. Wir brüllen die ganze Zeit, während wir uns einen Weg durch die Menschenmassen bahnen, bis wir wieder an unserem Platz hinter dem Wachovia Center sind, wo die dicken Männer mit eiskaltem Feier-Bier warten. Wieder und wieder umarme ich Jake und klatsche Cliff mit High Five ab und brustremple die dicken Männer und singe mit den Indern. Ich bin so glücklich. Ich bin so wahnsinnig glücklich.
Als die Asian Invasion mich zu Hause absetzt, ist es spät, daher bitte ich Ashwini, nicht auf die Eagles-Schlachtruf-Hupe zu drücken, und er stimmt widerwillig zu – doch kaum ist der Bus um die Ecke am Ende der Straße gebogen, höre ich fünfzig indische Männer unseren Schlachtruf brüllen. Ich muss unwillkürlich lächeln, als ich das Haus meiner Eltern betrete.
Für Dad bin ich gewappnet. Nach so einem großen Sieg – einem Sieg, der die Eagles auf den ersten Platz befördert – wird Dad sicher mit mir sprechen wollen. Doch als ich das Wohnzimmer betrete, ist niemand da. Keine Bierflaschen auf dem Fußboden. In der Küchenspüle kein schmutziges Geschirr. Tatsächlich sieht das ganze Haus makellos aus.
«Dad? Mom?», rufe ich, doch niemand antwortet. Ich habe die Autos von beiden in der Einfahrt stehen sehen, als ich vor dem Haus aus dem
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