Silver Linings (German Edition)
unterhalten – und ich bin besonders froh darüber, dass meine Eltern wieder liebevoll miteinander umgehen –, aber ich kenne meinen Vater auch, und ich fürchte, dass eine einzige Niederlage der Eagles meinen Dad wieder in einen Griesgram verwandeln wird. Ich habe Angst, dass Mom enttäuscht wird, beschließe aber, den Moment zu nutzen.
«Zehn», antworte ich.
Dad lächelt, schiebt sich ein Würstchen in den Mund, kaut energisch und sagt dann zu meiner Mutter: «Pat sagt, zehn Touchdown-Pässe.»
«Vielleicht elf», füge ich hinzu, nur um optimistisch zu sein.
«Frage Nummer zwei. Wie viele Touchdown-Pässe fängt unser Newcomer Hank Baskett?»
Also, mir ist durchaus bewusst, dass Baskett in den ersten fünf Spielen nur einen Touchdown gemacht hat, aber ich weiß auch, dass meine Familie heute Abend überoptimistisch ist, deshalb sage ich: «Sieben.»
«Sieben?», sagt Dad, lächelt aber.
«Sieben.»
«Er sagt sieben, Jeanie. Sieben!» Zu mir sagt Dad: «Frage Nummer drei. In welchem Viertel holt sich Quarterback Drew Brees schließlich eine Gehirnerschütterung, weil er von der überragenden Defense der Eagles so oft umgenietet worden ist?»
«Ähm. Schwierig. Im dritten Viertel? »
«Das ist nicht richtig», sagt mein Vater und schüttelt vor gespielter Enttäuschung den Kopf. «Im ersten Viertel ist die richtige Antwort. Frage vier. Wann gedenkst du, endlich mal das Mädel mit nach Hause zu bringen, mit dem du immer laufen gehst? Wann gedenkst du, deinem Vater deine Freundin vorzustellen?»
Als Dad mit Frage vier fertig ist, schlürft er eine Gabel Spaghetti in den Mund und fängt an zu kauen. Als ich nicht antworte, ermuntert er mich mit der linken Hand, indem er unsichtbare Kreise mit dem Zeigefinger in die Luft malt.
«Hast du gesehen, dass Pat seine Hochzeitsfotos gefunden und wieder im Wohnzimmer aufgehängt hat?», sagt Mom mit einem leichten Zittern in der Stimme.
«Jake hat gesagt, du wärst über Nikki hinweg», sagt Dad. «Er hat gesagt, du stehst jetzt auf diese Tiffany. Oder?»
«Entschuldigt ihr mich bitte?», frage ich meine Mutter, weil meine kleine Narbe juckt und ich das Gefühl habe, ich explodiere, wenn ich nicht anfange, mir mit der Faust gegen die Stirn zu hämmern.
Als meine Mutter nickt, sehe ich Mitgefühl in ihren Augen, was mir guttut.
Ich stemme ein paar Stunden lang Gewichte, bis ich nicht mehr das Bedürfnis habe, mich selbst zu schlagen.
In der neuen Reflektorenweste, die meine Mutter mir kürzlich gekauft hat, laufe ich durch die Nacht.
Ich wollte Tiffanys Brief an diesem Abend aufmachen, weil ich mich so darüber gefreut habe, mit meinem Vater zu Abend zu essen, aber jetzt weiß ich, dass ich eindeutig nicht in guter Stimmung bin, was ein Verstoß gegen die Regeln wäre, die Tiffany vor zwei Nächten aufgestellt hat. Beinahe hätte ich den Brief gestern Abend aufgemacht, als ich in großartiger Stimmung war, aber da waren die achtundvierzig Stunden noch nicht um.
Während ich laufe, versuche ich, an Nikki und das Ende der Auszeit zu denken, weil ich mich dann stets besser fühle. Ich tue so, als hätte Gott eine Wette mit mir abgeschlossen, und wenn ich schnell genug laufe, bringt Er mir Nikki zurück, also sprinte ich die letzten zwei Meilen meiner Strecke. Schon bald bin ich wahnsinnig schnell – schneller, als je ein Mensch gelaufen ist. Im Geiste höre ich, wie Gott zu mir sagt, dass ich die letzte Meile in unter vier Minuten schaffen muss, und ich weiß, das ist fast unmöglich, aber für Nikki gebe ich alles. Ich laufe noch schneller, und als ich nur noch einen Block weit weg bin, höre ich im Kopf, wie Gott von zehn rückwärts zählt. «Fünf – vier – drei – zwei …» Und als mein rechter Fuß auf der ersten Betonplatte vom Gehweg meiner Eltern landet, sagt Gott: «Eins», was bedeutet, dass ich schnell genug gelaufen bin – dass ich es nach Hause geschafft habe, bevor Gott «null» gesagt hat. Ich bin so glücklich. Ich bin so wahnsinnig glücklich!
Die Schlafzimmertür meiner Eltern ist geschlossen, als ich nach oben gehe, also dusche ich und schlüpfe dann unter meine Decke. Ich ziehe Tiffanys Umschlag unter meiner Matratze hervor. Ich hole tief Luft. Ich öffne den Brief. Es sind mehrere getippte Seiten, und während ich sie lese, platzen in meinem Kopf widerstreitende Gefühle und Bedürfnisse auf.
Pat,
lies diesen Brief von Anfang bis Ende! Triff keine Entscheidungen, bis Du nicht den ganzen Brief gelesen hast! Lies diesen Brief
Weitere Kostenlose Bücher