Silvermind (German Edition)
hochgezogenen Augenbrauen starrte Ray auf die Pommes, die in dem Eis steckten. Gerade tunkte sie ein Chicken Nugget in den Becher.
„Wir sind in einem öffentlichen Restaurant.“
„Falsch. Das ist nur McDoof. Wenn der Mist nicht schmeckt, muss ich halt ein bisschen nachhelfen.“
„Du bist unmöglich.“
„Nein, hab von dir gelernt.“
Touché. Die Kleine wusste, wie sie ihn ausbremsen konnte. Ray verdrehte die Augen, schnappte sich eine Pommes aus dem Eisbecher und steckte sie in den Mund. Manche nannten das perverse Essgewohnheiten. Er fand die Kombination aus süß und salzig unwiderstehlich. Außerdem hatte Lora recht. Das Zeug schmeckte wirklich nicht herausragend.
„Siehst du. Du hast mir das vorgemacht“, grinste sie breit. Ray lachte leise. „Ich habe nie gesagt, dass du alles nachahmen sollst.“
„Passiert, Bruderherz.“
Lora zwinkerte und wippte unter dem Tisch mit einem Bein. Sie hatte unbedingt raus gewollt. Es war viel zu lange her, dass sie gemeinsam etwas unternommen hatten. Nun saßen sie bei McDoof, futterten Pommes mit Eis und wussten nicht, was sie mit dem Rest des Tages anfangen sollten.
„Weißt du, ich will mal wieder schwimmen gehen“, meinte sie nach einer Weile und sah über den Tisch hinweg zu Ray.
„Schwimmen? Meinst du nicht, dass du ein bisschen zu jung bist, um dir halbnackte Kerle anzusehen?“, entgegnete er verschmitzt. Tatsächlich wurde seine kleine Schwester ein wenig rot.
„Idiot. Die Jungs sind alle haarige Biester. Total bekloppt. Ich lasse mich erst mit einem von denen ein, wenn die ein bisschen reifer geworden sind.“
Über den mürrischen Gesichtsausdruck musste Ray herzhaft lachen. Lora verzog dermaßen angewidert das Gesicht, das er nicht anders konnte. Dafür wurde er mit einer Pommes beworfen, die sich in seinen Haaren verfing. Immer noch lachend schüttelte er den Kopf, sodass diese auf den Boden fiel. Ray erntete giftige Blicke, aber das machte ihm nichts aus. Seine Schwester war ein starkes Stück.
„Hör auf, mich auszulachen“, grummelte sie und sog an dem Strohhalm der Cola. Ray nahm eine Serviette, wischte sich den Mund ab und grinste weiterhin belustigt.
„Ich lache dich nicht aus, Süße. Das würde ich niemals tun.“
„Nein, du doch nicht. Weil du ja auch die Unschuld vom Lande bist.“
„Genau“, zwinkerte Ray.
„Aber mal ehrlich, würdest du mitkommen?“
„Kerle bespannen? Klar. Vielleicht entdecke ich auch mal wieder ein Prachtexemplar“, gluckste er vergnügt und strich sich Eis auf ein Nugget.
Lora wusste, dass er schwul war. Damals hatte Ray keinen Grund gesehen, es abzustreiten oder sie zu belügen, als sie ihn danach gefragt hatte. Er stand dazu, dass er Männer bevorzugte. Zugegeben gab es auch einen guten Grund, auf das starke Geschlecht abzufahren. Kerle waren sexy, knallhart. Ray hatte es nie mit einer Frau versucht, weil es ihn einfach nicht gereizt hatte.
„Stimmt. Ich frage mich sowieso, wie du klarkommst. Nicht mal das Bedürfnis … wie sagt Dean immer … Druck abzulassen, scheinst du zu haben.“
Ray verschluckte sich an dem Fleisch und hustete. Er hielt sich die Hand vor den Mund, damit dessen Inhalt nicht auf dem Tisch landete. Jetzt war es an Lora zu lachen und ihm auf den Rücken zu klopfen. Das war definitiv kein Thema, dass er mit seiner Schwester, die zehn Jahre jünger war als er, besprechen wollte. Als er sich wieder beruhigte, nahm er einen Schluck von der Cola.
„Das meine liebe Schwester, gehört in den Bereich: Geht dich nichts an .“
„Spielverderber.“
„Nein. Aber ich habe Privatsphäre.“
„Ach komm. Ich erzähle dir auch, in wen ich mich verliebt habe.“
„Weil du ein Mädchen bist. Große, starke Männer wie ich machen das nicht. Das ist uncool“, grinste Ray und zerwühlte ihr die Haare. Sie kreischte auf und rutschte demonstrativ auf einen anderen Platz.
Genau genommen hatte Ray Bedürfnisse. Sie spiegelten sich in der Sehnsucht wieder, jemanden zu finden, der ihm das gab, was er brauchte. Aber bislang hatte er den Kopf mit anderen Dingen voll. Wollte nicht die Zeit damit verbringen, nach jemandem zu suchen, den er wahrscheinlich nie treffen würde. Bisher hatten Besuche in Darkrooms ihre Dienste getan. Anonyme Bekanntschaften, die genauso schnell gegangen waren, wie er sprichwörtlich gekommen war. Oder die altbewährte Handarbeit. Für einen kurzen Moment waren beide Varianten befriedigend, auf Dauer jedoch reizlos geworden, eine
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