Silvermind (German Edition)
verstehe ich nicht.“
Ray zog das Mädchen auf den Schoss, strich ihr durch die Haare und drückte ihr einen Kuss auf den
Scheitel. Nero sah Rays trauriges Lächeln, die Schatten, die unter dessen Augen lagen. Dem Kerl ging es nicht gut.
„Ja, wegen einem.“
Ray schluckte, was Nero anhand der Bewegung des Kehlkopfes sah. Aber er hörte etwas heraus.
Nämlich, dass der das Mädchen in genau diesem Moment anlog. Wieso?
Nero fand Ray immer interessanter. Irgendetwas rührte dieser Kerl in ihm, was ihn darüber nachdenken ließ, ob er es nicht doch wagen sollte. Offensichtlich ging dessen Leben gerade bergab. Es war nicht wie bei Neo. Irgendein anderer Faktor machte dem Kerl das Leben schwer. Zudem schien der das Kind unbedingt schützen zu wollen. Wovor? Vor allem, was Nero brennend interessierte: War es Rays Tochter?
„Warum singst du nicht einfach? Dean meinte, dass du die Möglichkeit hättest. Ich finde dich toll“, seufzte die Kleine und lehnte sich an Rays Brust. Das war der Augenblick, in dem Nero seine Entscheidung traf. Die perfekte Vorlage.
„Ich kann ihr nur zustimmen“, meinte Nero. Er stieß sich vom Regal ab. Lässig schlenderte er zum Tisch, zog einen Stuhl heran und setzte sich rittlings darauf. Er schenkte dem Mädchen ein Lächeln, Ray einen unergründlichen Blick. Zwei Paar rauchgraue Augen sahen ihn an.
„Ich kenne dich irgendwoher“, meinte die Kleine nach einer Weile, nachdem die Überraschung verflogen war.
„Ich bin Nero.“ Er streckte ihr die Hand hin. Sie ergriff sie. „Lora.“
„Freut mich, dich kennenzulernen.“
Nero zwinkerte ihr zu, wandte sich dann an Ray, der immer noch wie erstarrt war. Nero wusste nicht recht, wie er ausdrücken sollte, was er sagen wollte.
„Ray, du und Dean habt doch Poster von Nero. Ist der nicht … na klar, du bist Sänger von ´Silvermind`“, lachte sie und richtete sich wieder direkt an ihn. Nero nickte bestätigend, legte sich zugleich aber einen Finger auf die Lippen. „Nicht so laut, sonst kann ich hier nie wieder herkommen, ohne gestört zu werden.“
„Alles klar“, flüsterte Lora grinsend. Nero fand dieses Mädchen durchaus sympathisch.
„Möchtest du irgendetwas Bestimmtes, außer meine Schwester mit deinem Charme zu bezirzen?“, warf Ray in das Gespräch ein und funkelte Nero an.
„Allerdings. Auf ein Wort, komm mal bitte kurz mit.“
Nero wollte dieses Anliegen nicht vor Lora besprechen. Es musste unter vier Augen geklärt werden. Er ging in die Ecke zurück und wartete darauf, dass Ray ihm folgte. Als der um das Buchregal kam, standen sie sich gegenüber. Anerkennend ließ Nero den Blick über den Körper des Goths schweifen. Was er sah, gefiel ihm.
„Ich will dich haben“, kam er, ohne um den heißen Brei zu reden, auf den Punkt. Ray zog eine Augenbraue hoch.
„Warst nicht du es, der vor einer Woche meinte, ich würde nicht zu euch passen? Der dachte, ich wäre zu schlecht?“
„Ersteres habe ich gesagt, aber ich habe nie verlauten lassen, dass ich dich schlecht finde. Zugegeben hatte ich meine Gründe. Wärst du geblieben, hättest du sie gehört.“
„Zeno hat mir freundlicherweise ausgerichtet, was dein Problem war.“
„Ah … Ist aber nicht auf meinen Mist gewachsen, Ray. Bis heute wollte ich dich immer noch nicht. Genau genommen bis vor zehn Minuten.“
„Ach. Dann hast du einfach ein paar Fetzen vom Gespräch aufgeschnappt, dir gedacht, dass ich eine Runde Mitleid brauche und dich entschieden, mir diesen ehrenhaften Platz anzudrehen?“, stieß Ray ironisch aus. Er schüttelte verächtlich den Kopf. „Das brauche ich nicht“, meinte er angesäuert und drehte sich um. Nero fasste reflexartig nach dessen Arm, zog ihn an sich heran und hielt ihn in einer Umklammerung fest. Ray versuchte sich im ersten Moment zu wehren, begehrte gegen den eisernen Griff auf, doch hielt urplötzlich still, als Nero ihm die Lippen ans Ohr legte und knurrte: „Ich biete dir eine Chance, aus dem Sumpf herauszukommen, in dem du gelandet bist. Überlege dir gut, ob du dich stur stellen willst. Du hast eine kleine Schwester, für die du Verantwortung trägst. Nur jetzt mache ich dir das Angebot, mit einzusteigen. Oder du lässt es. Allerdings geht mir dein verpfuschtes Leben dann am Arsch vorbei. So kann ich dir vielleicht helfen. Außerdem ist es Eigennutz. Du bist gut, wir werden keinen Besseren finden.“
„Du bist ein Arschloch“, schnaubte Ray und fasste an Neros Unterarm, der um
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