Silvermind (German Edition)
regelmäßigen Abständen zu ihm herüber, um sich zu vergewissern, dass er bei Bewusstsein war. Das Krankenhaus war eine viertel Stunde entfernt. Die Strecke bis dahin erschien Nero endlos lang, das Adrenalin strömte unaufhörlich durch seinen Körper, sein Fuß zitterte auf dem Gaspedal.
Als sie ankamen, war Ray blasser und apathisch geworden. Binnen weniger Minuten war Nero mit ihm in der Notaufnahme. Rays Zustand sofort bemerkend, dirigierten die Pflegerinnen ihn in einen Schockraum. Da Nero jedoch kein direkter Angehöriger war, wurde er in den Wartebereich verwiesen. Mit dem Wissen, das Ray in guten Händen war, setzte er sich auf einen der Plastikstühle.
Er schloss die Augen. Die Gedanken stürmten auf ihn ein, das Blut wich ihm aus dem Gesicht. Dass Ray verletzt worden war, anscheinend durch den eigenen Vater, ließ Nero wütend werden. Für ihn war es nicht nachvollziehbar, dass die familiäre Situation so extrem eskalieren konnte. Er hoffte, dass nicht mehr Komplikationen auftreten würden und nur eine Narbe zurückbliebe.
Es tat Nero leid, dass der Kleine vom Leben hart getroffen wurde, immer wieder, bewunderte ihn aber dafür, dass der nicht aufgegeben hatte. Ray war unglaublich stark. Vielleicht sah er es selbst nicht, doch das, was er bisher geschafft hatte, war bewundernswert. Nero zollte ihm Respekt.
Um nicht wie auf heißen Kohlen die Wartezeit absitzen zu müssen, besorgte er sich einen Kaffee. Nebenbei schickte er Dean eine SMS, dass Ray bereits behandelt wurde. Die Minuten zogen ins Land, wurden zu Stunden. Unruhig lief Nero auf und ab. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, kam ein Arzt den Flur entlang. Nero ging auf ihn zu um Informationen über Ray zu erhalten, doch leider konnte dieser ihm keine Auskunft geben. Eine Tür weiter fand Nero einen kompetenter aussehenden ´Weißkittel`, der ihm die notwendigen Auskünfte gab. Er machte sich auf den Weg zum Krankenzimmer, in das Ray verlegt worden war.
Der Kerl hob sich kaum von den weißen Laken ab. Dessen Gesicht war schmerzverzehrt, die Lippen grimmig aufeinandergepresst. Er sah nicht auf, als Nero in das Zimmer trat, die Tür leise hinter sich schloss. Der Krankenhaus typische Geruch, eine Mischung aus Sterilium, Putzmitteln und teilweisen Ausscheidungen, stieg ihm in die Nase. Nachdem er ans Bett getreten war, bedachte er Ray mit einem langen, ernsten Blick.
„Wie sieht´s aus?“, fragte er nach einer Weile. Er wollte wissen, wie schwer es um ihn stand, musste sich mit eigenen Augen vergewissern, dass, die Wunde nicht lebensbedrohlich war. Innerlich aufgewühlt, strich er sich die Haare mit einer fahrigen Bewegung aus der Stirn.
„Blendend. Ich fühle mich besser als jemals zuvor.“
„Was sagt der Arzt?“, versuchte es Nero erneut, darum bemüht, ruhig zu bleiben.
„Dass ich mich in Zukunft von Messerstechereien fernhalten soll.“
„Das meinte ich nicht.“
„Du brauchst dir wegen des Auftritts keine Sorgen zu machen“, meinte Ray trocken. Nero stöhnte.
„Lass den Mist! Ich will wissen, wie es dir geht, verdammt!“ Ray starrte ins Leere, dann schüttelte er den Kopf. „Willst du das wirklich?“, flüsterte er, mit etwas heiserer, gebrochener Stimme. Nero trat zu ihm, umfasste seinen Nacken und zwang Ray dazu, ihn anzusehen. Das Nebelgrau der Augen war ein Schleier aus endloser Trauer und weilendem Schmerz.
„Was ist passiert?“, wollte Nero wissen, unnachgiebig, sah Ray erbarmungslos entgegen. Dieser schloss daraufhin die Lider, atmete tief ein. Es war ein Moment, in dem er sichtlich mit sich kämpfte, seine innere Barriere aufrecht zu erhalten. Nero konnte das Zittern des Körpers unter der Hand spüren.
„Nichts“, meinte Ray nach einer Weile erschöpft und drehte sich weg. Er hätte Ray gerne zurückgezogen, wusste aber, dass es derzeit besser war, ihn in Ruhe zu lassen. Unbefriedigt trat er vom Bett zurück und ging ans Fenster. Die Arme verschränkt lehnte er am Rahmen, blickte nach draußen. Die Zeit verstrich, ohne dass sie etwas sagten. Einzig ihr Atem erfüllte die anhaltende Stille.
Irgendwann kam ein Arzt, der angemessen ruhig und leise mit Ray sprach, damit Nero nicht allzu viel mitbekam. Dennoch schnappte er Wortfetzen wie: ´entgegen ärztlichen Rates` und ´Entlassung auf eigene Verantwortung ohne Haftung` auf. Er brauchte nicht erst eins und eins zusammenzuzählen, um zu wissen, worum es ging. Aber er unterließ es, einen unqualifizierten Kommentar starten zu lassen. Als der
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