Silvermind (German Edition)
seinem Schritt.
„Ich werde mal die anderen ausfindig machen“, wich Ray aus und ging zur Tür.
„Welche Nummer, Kleiner?“
„Du verkehrt herum auf mir“, meinte er und brachte Nero damit zum Verstummen. Was der Leader konnte, konnte Ray schon lange.
***
Kapitel 19 – Nero
Nero konnte nicht schlafen. Seit geschlagenen zwei Stunden lag er im Bett und tat kein Auge zu. Er starrte in die Finsternis, wachgehalten von Gedanken und Trieben. Ihm war warm, obwohl die Decke nur halb auf ihm lag. Doch die Wärme des neben ihm befindenden Körper strahlte auf ihn über. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt vernahm er, wie sich Ray auf der anderen Seite unruhig hin und her drehte. Anscheinend träumte der Kleine schlecht.
Nero grübelte, dachte an die vergangenen Stunden. Er verstand sich wieder mit Ray, besser als je zuvor. Aber ihm war nicht entgangen, dass sich in ihren Umgang etwas Gefährliches gemischt hatte. Ein schleichender Flächenbrand, der sie einschloss und nicht mehr entkommen ließ. Früher oder später würde dieser sie brennen lassen. Er hatte keine Ahnung auf welche Weise.
Ray stöhnte gequält auf. Nero machte dessen Silhouette in der Dunkelheit aus. Sie trennte nur eine Handbreit voneinander, eine Körperdrehung. Aber Nero blieb, wo er war. Er brauchte den Abstand. Keinen Grund mehr, auf seinen Nebenmann wütend zu sein, war er Gefühlen ausgesetzt, die er vorher hatte verdrängen können. Jetzt waren sie unverfälscht, nicht von Wut verschleiert. Nero wusste instinktiv, dass das nicht gut war.
Leise erhob er sich und stieg aus dem Bett. Er brauchte dringend eine Zigarette. Ohne einen Ton öffnete er das Fenster, machte es weit auf. Nero stellte sich mitten in den Luftzug, nahm die Packung Zigaretten vom Sims und zündete eine Kippe an. Den Rauch tief inhalierend starrte er auf die Lichter der Stadt, die sich vor ihm erstreckten. Das Blinken und Leuchten hatte ihn seit jeher fasziniert. Er mochte den Anblick. In der Schwärze wirkte das Leben friedlich.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich etwas anzuziehen und hinaus in die Nacht zu verschwinden, wie er es vor zwei Stunden bereits getan hatte. Doch diese Idee verwarf er schnell wieder. Gänzlich ohne Schlaf könnte er den Tag nicht überstehen. Er würde eine tickende Bombe sein, noch leichter zu reizen als ohnehin.
Aus dem Hintergrund vernahm er, wie Ray sich bewegte. Die Decke raschelte, das Bett knarrte leise. Er blickte über die Schulter und betrachtete den Kleinen. Ein paar Sekunden später wusste er, dass Ray wach war. Der setzte sich auf und strich sich verschlafen über das Gesicht.
„Habe ich dich geweckt?“, fragte Nero in die Dunkelheit, die Zigarette an die Lippen führend.
„Nein, Bilder im Kopf“, meinte Ray mit belegter Stimme und stand auf. Er ging ins Bad, aus dem Nero kurze Zeit später Wasserrauschen hörte.
Auf dem Fensterbrett abgestützt, hielt er das Gesicht in die Nacht. Frischer Wind, nach Regen duftend, strich über seine Haut. Es war empfindlich kalt geworden. Die Zigarette ein Stück weghaltend, nahm er einen tiefen Atemzug von der Nachtluft. Die Eindrücke der Städte nahm er oft in solchen Augenblicken in sich auf, schöpfte Kraft aus der Finsternis. In wenigen Stunden würden sie den nächsten Auftritt haben, danach nach Thüringen weiterziehen. Er brauchte die Momente der vollkommenen Stille.
Als die Badtür geöffnet wurde, erhellte für wenige Sekunden der Lichtschein das Zimmer, dann war es wieder stockdunkel. Ray schien zu überlegen, ob er sich schlafen legen sollte oder aufbleiben, letztlich trat er neben ihn.
„Hattest du mit den anderen nicht unterwegs sein wollen?“, meinte der Kleine schläfrig und lehnte sich mit der Schulter an die Wand.
„War langweilig“, entgegnete Nero, Rauch ausstoßend. Er war mit Mark und Zeno auf Trebe gewesen, aber er hatte keine Lust zum Feiern gehabt. Irgendwann war er zum Hotel zurückgekehrt und hatte seit seiner Ankunft nicht schlafen können. Den Grund dafür kannte er, allerdings verschloss er die Gedanken in dem hintersten Winkel seines Kopfes.
„Warum gehst du nicht wieder schlafen?“, richtete er ruhig an Ray. Der zuckte mit den Schultern. Für eine Weile blieb der still und starrte ebenso wie Nero hinaus in die Nacht.
„Ich will nicht träumen“, sagte der irgendwann, durchbrach das Schweigen der Dunkelheit.
„Weil es dir Angst macht?“
„Nein, weil ich bereits Vergangenes erneut durchlebe.“
Nero nickte. Das
Weitere Kostenlose Bücher