Silvermind (German Edition)
bereiteten ihm gering Probleme. Aber Nero war nicht auf körperlichen Kollisionskurs gegangen. Zwischen dem Kleinen und ihm war nichts weiter vorgefallen, abgesehen von den dauerhaft anzüglichen Bemerkungen. Doch nachts, wenn sie nebeneinander lagen, wurden diese keine Realität.
Nero hatte gemerkt, dass Ray sich von ihm distanzierte. Ab und an stieg der auf ihr Spielchen ein, doch im Endeffekt hatten die Worte den Reiz verloren, waren leer dahin gesagt, enthielten nichts als heiße Luft. Dass der Kleine nicht auf dauerhafte Abweisung stand, wie Nero diese zu pflegen gedachte, konnte er gut verstehen. Allerdings bedauerte er, dass sich die Fronten zwischen ihnen auf diese Weise verhärtet hatten. Persönlich kamen sie klar miteinander, redeten, scherzten. Alles andere war still zu einem tabuisierten Thema geworden. Es ging so weit, dass sie die Nächte voneinander abgewandt schliefen, tunlichst jede körperliche Berührung vermieden. Ray wich ihm aus, wann immer sie sich zu nahe kamen.
Dabei lag es nicht daran, dass Nero ihn nicht wollte. Er wachte morgens mit einer Latte auf, weniger Blasendruck als heiße Träume, und ging abends unter Strom stehend ins Bett. Selbstbefriedigung unter der Dusche war keine dauerhafte Erlösung, der Gedanke mit einem Groupie zu schlafen, törnte ihn ab. Trotz schmerzhafter Erregung zog Nero die Enthaltsamkeit dem stumpfsinnigen Fickens vor.
Er dachte, dass er zufrieden mit der Umgangsweise war, die zwischen Ray und ihm herrschte. Persönliche Akzeptanz, keine Intimität. Nero hatte gute Gründe dafür. Aber je länger sie unterwegs waren, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er sich damit nicht abfinden konnte. Der Keil zwischen ihnen würde auf Dauer gesehen für erneute Komplikationen sorgen.
Er wandte den Kopf, als er aus einer Ecke des Tankstellenladens ein männliches Lachen vernahm. Es war unverkennbar Ray, der lässig an einem der Regale stand und mit Zeno witzelte. Nero trank einen Schluck, während er den Blick weiterhin auf die Szenerie geheftet hatte. Ray wirkte nicht unglücklich. Er kam mit den anderen gut zurecht. Dennoch gab es Augenblicke, in denen er nachdenklich und verschlossen war. Vor allem ihm gegenüber.
Als hätte der Kleine gespürt, dass Nero ihn ansah, wandte dieser sich ihm zu. Der Augenkontakt war flüchtig, ein Streifen mit Blicken, intensiv, aber nicht anhaltend. Er meinte leises Bedauern in den grauen Tiefen zu sehen, doch ehe er sich sicher war, drehte Ray sich wieder weg.
„Ihr werdet nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen, oder?“, sprach ihn Mark von der Seite an. Nero wandte sich seinem Kumpel zu.
„Was meinst du?“
„Die Sache zwischen Ray-Boy und dir.“
„Wir kommen miteinander klar“, meinte Nero und ließ den Kaffee im Becher kreisen.
„Sieht nicht so aus.“
„Mark, was willst du?“, entgegnete er gereizt. Er hatte keine Lust, sich ausgerechnet jetzt mit den gut gemeinten Ratschlägen seines Freundes auseinanderzusetzen. Überhaupt konnte Nero diese Art von Hilfe nicht leiden.
„Kommt endlich in die Gänge. Dieses Hin und Her ist ätzend.“
„Du hast keine Ahnung, Mark. Kümmere dich um deine Angelegenheiten.“
„Ich meine ja nur.“
„Interessiert mich nicht, was du meinst. Egal, was du siehst, es ist Nichts, okay? Ich brauche keinen Aufpasser, der sich in irgendetwas einmischt.“
„Du bist ziemlich explosiv geworden.“
„Ach leck mich. Ich hab andere Probleme.“ Damit schmiss Nero den Kaffeebecher in einen Mülleimer und verließ die Tankstelle. Gerade, als er sich eine Zigarette anzünden wollte, klingelte sein Handy. Nero fluchte unterdrückt.
„Ja“, meinte er, mit der Fluppe im Mund, das Gespräch annehmend.
„Hallo mein Sohn.“ Der ernste Tonfall seiner Mutter ließ ihn aufhorchen.
„Was ist passiert?“, erkundigte er sich, steckte die Zigarette hinter das Ohr und begab sich zum Bus. Am anderen Ende blieb es eine Weile still.
„Es geht um deinen Bruder.“
„Was ist mit Neo?“ Als Lydia anfing zu schluchzen, presste Nero die Lippen zusammen. Das Gefühl, dass irgendetwas Gravierendes vorgefallen war, hinterließ einen ziehenden Schmerz in seiner Brust. Er rieb sich über die Stelle, innerlich zum Zerreißen gespannt, welche Hiobsbotschaft ihm übermittelt würde.
„Suizidversuch. Überdosis Heroin“, stieß seine Mutter verzweifelt aus. Nero brauchte einen Moment, um das Gesagte in sich aufzunehmen, zu realisieren, was es bedeutete. Er blieb stehen und
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