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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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ist
ausgesprochen günstig. Wir werden dann eine Klassenarbeit schreiben.“
    Die Mädchen schrien: „Oh!“ und:
„Bitte, bitte nicht, lieber Doktor Künzel“ und: „Doch nicht schon morgen!“
    Nur Silvy freute sich. — Jetzt
werde ich es denen zeigen, nahm sie sich vor.
    Sie wäre geradezu enttäuscht
gewesen, wenn Dr. Künzel sich hätte umstimmen lassen, obwohl daran natürlich
nicht zu denken war, denn wenn er auf die Einwände der Mädchen gehört hätte,
wäre es niemals zu einer Arbeit gekommen.
    Silvy war wild entschlossen,
unbedingt eine Eins zu schreiben, und so ließ sie es nicht dabei bewenden, am
Nachmittag still für sich alle möglichen Formen der Differentialrechnung zu
üben, sondern sie bat auch noch am Abend ihren Vater, der ein ausgezeichneter
Rechner war, den Stoff noch einmal mit ihr durchzunehmen.
    Herr Heinze freute sich über
den Fleiß seiner Tochter und fühlte sich geschmeichelt durch ihr Vertrauen; er
arbeitete zwei volle Stunden mit ihr. Nachher legte Silvy dann noch ihr
Mathematikbuch unter das Kopfkissen, also konnte gar nichts mehr schiefgehen.
    Die anderen fühlten sich nicht
gar so wohl in ihrer Haut. Katrin, der Mathematik lag und die, ganz abgesehen
davon, schlechte Noten überhaupt nicht allzu schwernahm, war noch die
Munterste. Olga hatte mit ihren großen Brüdern gearbeitet und fühlte sich
trotzdem unsicher, Ruth hoffte auf Katrins Hilfe, und Leonore - ja, Leonore
wußte wenig, war aber viel zu übermüdet, um sich aufzuregen.
    Erst als sie dann den Zettel
mit den vervielfältigten Aufgaben vor sich liegen sah und anfangen wollte,
wurde ihr klar, daß sie es allein nicht schaffen würde. Die komplizierten
Differentialrechnungen waren für sie ein Buch mit sieben Siegeln.
    Sie übertrug die erste Aufgabe
in ihr Heft, und dann wußte sie nicht weiter. Voller Verzweiflung blickte sie
sich um. Alle anderen schrieben eifrig. Sie begegnete dem Blick Dr. Künzels und
senkte erschrocken die Augen. Sie wollte wenigstens so tun, als ob sie
rechnete. Aber auch das gelang ihr nur schlecht.
    Dr. Künzel, der vorn am
Lehrertisch saß, holte eine Zeitung aus seiner Tasche und schlug sie auf.
    Das war schon besser. Leonore
atmete ein wenig auf. Sie sah, wie Katrin ihr Heft unauffällig näher zu Ruth
hinschob, so daß die Kleine einen Blick hinein tun konnte.
    Ach, hätte sie nur auch so eine
gute Freundin gehabt!
    Bis zu dem Unfall ihrer Mutter
hatte Leonore Schwierigkeiten in der Schule nicht gekannt. Deshalb wußte sie
sich jetzt auch gar nicht zu helfen. Sie gehörte nicht zu den Mädchen, die
immer schwimmen und sich dabei auf ihr Glück und ein paar Tricks verlassen. Sie
fühlte sich tatsächlich verraten und verkauft.
    Ganz vorsichtig riskierte sie
einen Blick auf Silvys Heft. Ihr Herz schlug höher, als sie entdeckte, daß sie
die ordentlichen Zahlen, die Silvy auf das karierte Papier malte, ohne
Schwierigkeiten lesen konnte. Sie schrieb ab, was sie las, und als sie erst den
Ansatz der Aufgabe hatte, konnte sie sie sogar allein zu Ende rechnen.
    Bei der zweiten war sie schon
ganz zuversichtlich geworden. Wieder schaute sie zu Silvy hinüber, aber diesmal
machte sie ein leises Geräusch, als sie sich bewegte. Silvy wurde aufmerksam
und sah hoch.
    Aber statt sich nun ein wenig zurückzulehnen
und den Blick freizugeben, als sie Leonore in ihrer Not sah, beugte Silvy sich
sofort vor, stützte ihren Arm so auf den Tisch, daß das Heft dahinter ganz
verborgen war, ja, sie baute auch noch ihre Federmappe wie einen Schutzwall
neben sich auf.
    „Silvy, bitte“, hauchte
Leonore.
    Aber Silvy zeigte ihr die kalte
Schulter.
    „Liebe Silvy...“ flüsterte
Leonore.
    Aber auch das zog nicht.
    Leonore stieß Silvy leicht mit
dem Fuß an.
    „Au, du tust mir ja weh!“ sagte
Silvy ganz laut.
    Dr. Künzel ließ die Zeitung
sinken und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Klasse.
    Leonore begriff, daß Silvy
genau das beabsichtigt hatte; Silvy wollte ihr nicht helfen, und sie wollte ihr
auch keine Chance geben.
    Leonore atmete tief durch und
versuchte, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Aber es nutzte nichts. Zu
viele Wochen hatte sie todmüde im Unterricht gesessen und kaum noch mit einem
Ohr gelauscht, was vorne gesagt wurde. Jetzt konnte auch die größte Anstrengung
nichts mehr nutzen. Leonore wußte einfach nicht, wie sie die
Differentialrechnungen anpacken sollte.
    Noch nie hatte sie sich so
klein und jämmerlich gefühlt. Inmitten all ihrer Klassenkameradinnen kam sie
sich

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