Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
aber höflich bereit erklärte, für morgen wieder einen Kuchen zu backen, winkte Frau Reiter lachend ab.
»Wie sollen wir denn dann am Geburtstag merken, dass es ein besonderer Tag ist?«, fragte sie. Der kleine Zauberer müsste ihr Recht geben. Natürlich trug der Gummibaum an diesem Tag acht kleine Kerzen, die aber nicht brannten, denn Simsala konnte den Feuertrick noch nicht - »Messer, Gabel, Schere, Licht...« war ein Spruch, den man auch auf Feste Hokuspokus kannte -, und die Lehrer, die vielleicht Streichhölzer in der Tasche hatten, bemerkten die Kerzen gar nicht. Die goldgerahmten Rektoren sperrten die Münder auf, als hätte man sie beim Absingen des Geburtstagsliedes für Ruth fotografiert.
Aus dem Wasserhahn floss Limonade.
Ruth wird gefeiert
Herr Martin stand nicht in der Klassentür, als die Kinder angerannt kamen, sondern malte zu Ehren des Geburtstagskindes noch ein Bild an der Tafel fertig. Es zeigte ein Mädchen, das von drei Engeln beschenkt wird. »Dieser mit dem roten Gewand ist der Engel der Freude«, erklärte der Lehrer, als Ruth stolz ihr Bild betrachtete, »dieser hier mit dem blauen ist der Engel des Schmerzes. Und der dritte hier im gelben Gewand ist der Engel der Wahrheit. Der rote Engel möchte dir Lebensfreude schenken, der blaue Engel möchte dir Lebensmut schenken, der gelbe Engel schenkt dir Lebenskraft, wenn du nur offen bist für ihre Gaben.« Das wollte Ruth unbedingt sein. Herr Martin schenkte ihr noch einen goldenen Stift. »So einen, wie Simsala hat«, sagte er, »aber ich habe ihn nicht gezaubert.«
Das Mädchen glaubte es ihm sofort und bedankte sich. Die Kinder hatten jeder eine Blume mitgebracht - manche hatten es auch vergessen und schämten sich deshalb ein bisschen.
Auch Simsala hatte nicht an die Blume gedacht. Aber für ihn war so etwas natürlich kein Problem. Er überreichte Herrn Martin eine zarte blaue Glockenblume, die er ganz frisch und unbeschadet unter seiner Bank hervorzog. Der Lehrer ordnete die Blumen zu einem dicken Strauß. »Wer läuft geschwind und tut Wasser in die Vase?« fragte er.
Einige Kinder meldeten sich. Aber Simsala hatte ihm so schnell, wie es sonst gar nicht seine Art war, die Vase aus den Händen gerissen und war bereits auf dem Weg. Als er mit der vollen Vase zurückkam, war das Limonadenwunder am Wasserhahn wieder versiegt. Dem kleinen Zauberer erschien es auf einmal besser so. Mit Geduld meisterte Herr Martin auch diesen Tag. Simsala gab sich ganz ungeheure Mühe, so wenig aufzufallen wie möglich. Weil einige Kinder mit Ruth Geburtstag feiern durften, brauchten die übrigen auch keine Hausaufgaben zu machen.
Als die Kinder nach Hause kamen, roch es in der ganzen Wohnung nach verbranntem Fett. In dicken Schwaden stand Frau Reiter in der Küche und buk Pfannkuchen in zwei Pfannen.
»Geht noch ein bisschen spielen«, bat sie die Kinder, »ich kann euch im Augenblick nicht gebrauchen. Und seht, dass die Küchentür zubleibt«, rief sie Ruth nach, die nicht abwarten wollte, ob die Mutter es sich vielleicht noch einmal anders überlegen würde.
Der kleine Zauberer hätte schrecklich gern bei dieser Art des Pfannkuchenmachens zugeschaut. Sie erschien ihm höchst schwierig, und er bewunderte Ruths Mutter. Aber Frau Reiter hatte gebeten, allein gelassen zu werden, und Ruth hatte Geburtstag.
Also winkte Simsala nur kurz mit der Linken und schloss die Tür hinter sich. Frau Reiter steckte die Nase in die Luft.
»Merkwürdig«, brummte sie, »plötzlich finde ich den Fettgeruch gar nicht mehr so schlimm.« Im Wohnzimmer half der kleine Zauberer Ruth, alles für die Spiele am Nachmittag vorzubereiten. Alle Stühle aus der ganzen Wohnung mussten herbeigeschleppt werden. Dazu kamen ein Topf, Kochlöffel, Kopftücher und eine Tüte, in die man nicht hineinschauen durfte. Simsala fand es sehr aufregend. »Zauberst du auch was vor?«, fragte ihn Ruth. Der kleine Zauberer wollte es sich überlegen.
Der Nachmittag wurde dann wirklich sehr schön. Die Kinder stürzten sich mit Appetit auf den Rest von Simsa-
las Torte und tranken dazu Limonade. (Frau Reiter hatte sie im Laden gekauft.)
Dann wurde gespielt.
Zuerst gab es »Reise nach Jerusalem«.
Weil sie meinte, nicht so gut singen zu können, nahm Ruths Mutter eine Glocke, die sie zart läutete. Solange sie die Glocke läuten hörten, wanderten die Kinder um die aufgestellten Stühle herum. Kaum hörte Frau Reiter auf zu läuten, warfen sie sich auf den nächsten freien Stuhl.
Nur der
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