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Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Titel: Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Dreißig
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gucken?«
    »Ich wollte nur schauen, wie spät es ist«, antwortete das Mädchen, indem es wieder ins Bett kroch. »Ich dachte,
    meine Mutter hätte verschlafen.«
    »Und wie spät ist es?«, wollte nun auch Simsala wissen.
    »Halbzwei auf der Turmuhr«, sagte Ruth, und es hörte sich etwas vorwurfsvoll an. »Fünf Stunden noch bis zum Aufstehen.«
    Der kleine Zauberer verstand Ruths Unruhe bestens. Sie hatte morgen Geburtstag. Da war es mit dem Schlafen immer besonders schwierig.
    Eben wollte er sich wieder auf die Seite drehen, als ihm etwas einfiel.
    »Ruth«, flüsterte er, »halbzwei ist doch schon nach Mitternacht, oder?«
    »Ja«, bestätigte das Mädchen, »aber noch nicht genug nach Mitternacht.«
    »Aber dann hast du ja schon Geburtstag«, fuhr Simsala unbeirrt fort, »herzlichen Glückwunsch, Ruth.«
    Im Dunkeln formte er mit seinen Händen einen Trichter, wie Herr Martin es ihnen gezeigt hatte, und auf einmal begann in der Stille der Nacht eine einsame Trompete »Viel Glück und viel Segen« zu blasen. Ehe Frau Reiter von der Musik ganz wach wurde, brach das Lied aber ziemlich plötzlich wieder ab. Ruth hatte mit ihrem Kopfkissen nach dem kleinen Zauberer geworfen. »Ach, ja, das Mädchen hat morgen Geburtstag«, murmelte Frau Reiter, die meinte, geträumt zu haben. Sie blickte auf den Wecker neben ihrem Bett und verbesserte sich: »Heute schon«. Dann schlief sie wieder ein. Die Kinder mussten unterdessen ein bisschen rangeln. Simsala versuchte, doch noch einen Ton zu blasen, Ruth versuchte, es zu verhindern. Und Ruth gewann. Als sie Simsala auf die Schultern gezwungen hatte und auf ihm saß, dass er seine Hände nicht mehr regen konnte, entschieden die Kinder, dass sie vielleicht doch noch ein wenig schlafen sollten, weil es am Tag noch aufregend genug werden würde. Sie versuchten es.
    Der kleine Zauberer brauchte sich nur unter der Bettdecke zusammenzukuscheln, da träumte er bereits. Ruth brauchte etwas länger und meinte, es würde ihr gar nicht mehr gelingen. Aber sie täuschte sich. Auf einmal nämlich erklang Singen vom Flur her. Flackernder Kerzenschein fiel durch den Türspalt, und das Bett, in dem Simsala gelegen hatte, war leer. Schnell schloss das Mädchen ihre Augen wieder und gab vor, immer noch zu schlafen.
    »Viel Glück und viel Segen«, sangen die Mutter und Simsala ohne Trompetenbegleitung. Es klang sehr schön.
    Weil Ruth noch zu schlafen schien, sangen sie außerdem: »Ei, was haben wir vernommen« und »Kräht der Hahn früh am Tag«.
    Vielleicht wäre Ruth auch davon noch nicht aufgewacht. Aber da krähte plötzlich der Hahn so markerschütternd, dass das Geburtstagskind zusammenfuhr und sich nach dem Gockel im Zimmer umschaute. Auch Frau Reiter bekam einen kleinen Schreck. Simsala lachte.
    »Guten Morgen, Langschläferin«, rief er fröhlich, »und alles Gute zum Geburtstag.«
    In den Händen hielt er eine Torte. Darauf war er besonders stolz, war es doch die allererste in seinem Leben, die er nicht gezaubert, sondern mit Frau Reiters Hilfe gebacken und verziert hatte. (Das heißt, beim Verzieren hatte er doch ein wenig gezaubert, aber nur ein ganz klein bisschen, sonst wären ihm die Sahneröschen nicht gelungen.)
    Frau Reiter stellte die Geburtstagskerze, die sie trug, auf die Kommode und umarmte ihre Achtjährige. »Ein gutes neues Lebensjahr, mein tapferes Töchterlein«, sagte sie, und Ruth war rundherum glücklich und mochte gern ihr tapferes Töchterlein sein. Dann drängte sie hinaus, um den Geburtstagstisch zu sehen und ihre Geschenke auszupacken. Die Mutter hatte ihr eine neue Schürze genäht. In einem Päckchen fand sie ganz neue Wachsstifte und in einem anderen ein Bilderbuch. Rössners hatten ihr ein Kartenspiel geschenkt, und die Nachbarin hatte eine Tafel Schokolade eingewickelt; »Zartbitter« stand darauf. Ruth wollte sich das Wort merken, denn in der Schule waren sie immer noch mit dem Z zu Gange.
    Der kleine Zauberer betrachtete sich den Gabentisch aufmerksam.
    Wie schön musste es sein, wenn man nicht zaubern konnte. Dann konnten einem die anderen, wenn sie einem eine Freude machen wollten, etwas schenken, das man sonst nicht haben würde. Er dachte an seine immer leeren Taschen, aus denen er jederzeit alles, was er nur haben wollte, hervorziehen konnte, und fand, er sei vom Leben ein bisschen ungerecht behandelt.
    Zum Frühstück gab es für jeden ein Stück von Simsalas Torte, und alle meinten, so etwas Gutes noch nie gegessen zu haben. Als Simsala sich

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