Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
kleine Zauberer, der das Spiel noch nicht kannte,
wanderte weiter.
»Du musst dich setzen«, rief Ruth.
»Du hast keinen Stuhl mehr«, rief Rüdiger.
Da setzte sich Simsala. Ganz am Ende der Reihe saß er.
Es zeigte sich, dass die Stühle doch für alle Kinder ausreichten.
Frau Reiter flüsterte mit dem kleinen Zauberer und stellte seinen Stuhl wieder beiseite.
Simsala schaute etwas unglücklich, versuchte aber, jetzt alles richtig zu machen. Wenn die Glocke aufhörte zu klingeln, saß er jetzt immer als Erster. Nur Ruths Mutter fiel auf, dass sich nicht der Junge nach der Glocke, sondern die Glocke sich offenbar nach Simsala richtete. Wenn Simsala sich setzte, hörte sie auf zu läuten. Selbst wenn Frau Reiter sie noch hin- und herschwang. Wieder flüsterte Frau Reiter mit dem Jungen, und der wanderte auf einmal mit der Linken in der Hosentasche um die Stühle herum. Fortan hörte die Glocke auf zu klingen, wenn Ruths Mutter aufhörte, mit ihr zu läuten, und Simsala, der nicht flink genug war, musste ausscheiden. Ruth gewann, und alle fanden, dass sich das für ein Geburtstagskind auch so gehörte.
Danach spielten sie »Stille Post« und »Tiere raten«, »Männermalen« und »Hänschen, piep einmal«. Als es hinter ihr brummte wie ein echter Bär, erriet Ruth, die eben als Hänschen herumgehen durfte, sofort, dass es Simsala war.
Nun war Simsala an der Reihe. Er rutschte von einem Schoß auf den nächsten, konnte aber keine der verstellten Stimmen wiedererkennen. Auf Ruths Schoß riet er Rüdiger, und auf Rüdigers Schoß riet er Frau Reiter. Ohne ein ganz klein bisschen Zauberhilfe sah er kein Ende seiner Wanderung von einem Schoß zum anderen. »Hänschen, sag mal piep«, sagte Simsala und setzte sich.
»Puh, ist der schwer«, schrie das Kind überrascht und vergaß ganz, seine Stimme zu verstellen. Da war der kleine Zauberer so leicht wie immer. Aber das Mädchen, auf dessen Schoß er gesessen hatte, war an der Reihe, Hänschen zu sein.
Schließlich musste sich Simsala auch beim Topfschlagen noch etwas helfen lassen. Soviel er mit dem Kochlöffel nämlich auch suchen mochte, der kleine Zauberer fand nicht den Platz, an dem die Kinder den Topf versteckt hatten. Auf einmal sahen die anderen, wie Simsala mitten im Zimmer stille saß und mit dem Zeigefinger auf dem Fußboden kratzte. Und siehe da: Der Topf kam gehorsam auf ihn zugerutscht und ließ sich brav mit dem Kochlöffel beklopfen.
»Geschummelt!«, riefen da einige Kinder. Die Übrigen lachten.
Als Simsala den Topf umdrehte, und der plötzlich voll mit Bonbons war, von denen sich alle nehmen durften, hatte keiner mehr etwas auszusetzen.
»War's schön?«, fragte Frau Reiter am Abend ihre Tochter. »Wunderschön«, erwiderte das Mädchen und fiel der Mutter um den Hals.
»Was ist nur mit Simsala?«, wunderte sich Frau Reiter nun.
Ruth wusste es nicht. Gemeinsam suchten sie ihn. Der kleine Zauberer stand am Wohnzimmerfenster und blickte nachdenklich in die Wolken hinauf, die von der Abendsonne gefärbt wurden. »Schön, nicht wahr?«, sagte Ruths Mutter.
Dann bemerkte auch sie, dass die Wolken ganz ungewöhnliche Formen hatten: Eine sah aus wie eine hohe Burg, eine zweite wie eine Kiste und eine dritte wie ein ganz spitzes Dreieck.
»Mein Vater ist wieder da«, erklärte der Junge und schämte sich ein bisschen, dass er sich darüber freute. »Die Burg, das ist unsere Feste Hokuspokus, das da«, er wies auf die Kiste, »ist sein fliegender Teppich, und dies«, er deutete auf das Dreieck, »ist sein Zaubererhut. Morgen muss ich wieder heim.«
In der Schule stand zur selben späten Stunde Rektor Häusler vor den Bildern seiner goldgerahmten Vorgänger. Frau Reinicke war beim Staubwischen aufgefallen, dass die irgendwie nicht mehr so aussahen wie immer, und hatte ihm Bescheid gesagt.
»Susanni Bum«, brummte der Rektor, »dieser Zaubererlümmel. Das geht nun aber wirklich entschieden zu weit.« Kopfschüttelnd betrachtete er die Bilder mit den aufgerissenen Mündern und versuchte, dabei nicht zu lachen. »Ich muss mit Herrn Martin sprechen«, entschied Rektor Häusler endlich, »der kleine Zauberer sollte für eine Zeit lieber etwas Sinnvolles mit seinen Händen tun als in der Schulbank zu sitzen und Unfug auszuhecken.«
»Und diesen Chor der Goldfische muss er morgen früh als Erstes beenden«, fügte er hinzu und musste dabei doch schmunzeln.
Der Vergleich mit den Goldfischen war gewiss nicht sehr höflich, aber er erschien dem Rektor
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