Simulacron-Drei
auch in Zukunft nicht. Siskin ist ein mächtiger und nachtragender Mann.«
Ich stellte das leere Glas auf die Theke.
»Andererseits konnte sich Fuller in den Innereien der Funktionengeneratoren blind zurechtfinden. Von ihm war am wenigsten zu erwarten, daß er gegen ein Hochspannungskabel laufen würde«, widersprach ich.
»Das gilt für einen normalen, nicht übermäßig exzentrischen Fuller – gewiß. Aber nicht für einen Fuller, wie ich ihn während der letzten vierzehn Tage gesehen habe.«
Collingsworth kippte seinen Whisky hinunter, stellte das Glas zurück und zündete sich erneut die Pfeife an. Das Glühen des Pfeifenkopfes ließ seine Züge weniger starr erscheinen.
»Ich glaube, ich kann mir vorstellen, worin Fullers ›grundlegende Entdeckung‹ bestand.«
»Wirklich?«
»Sicher. Ich wette, daß das sehr viel mit seiner Einstellung gegenüber den individuellen Reaktionseinheiten in seinem Simulator zu tun hatte. Wenn Sie sich erinnern, hat er häufig genug von ihnen als von ›wirklichen Menschen‹ gesprochen.«
»Aber das hat er doch nur spaßhaft gemeint!«
»Wirklich? Ich weiß noch, daß er einmal sagte: ›Verdammt, wir werden keine Analog-Meinungsforscher in diese Organisation hineinbringen!‹«
»Er hatte so geplant, daß er keine Befragungseinheiten zur Erforschung der Meinung in unserer Maschine zu verwenden brauchte«, erklärte ich. »Er entschied sich für ein anderes System – audiovisuelle Reize, wie Plakatwände, Flugblätter, entsprechende Fernsehsendungen. Wir stellen die Reaktionen fest, indem wir mit Hilfe von Empathie-Beobachtungsschaltkreisen hineinsehen.«
»Und warum keine Meinungsforscher in Fullers falscher Welt?« fragte er.
»Weil es ohne sie tatsächlich besser geht. Und wir werden eine wahre Spiegelung gesellschaftlichen Verhaltens erreichen, ohne den störenden Faktor mündlicher Meinungsbefragung.«
»Das ist die Theorie. Aber wie oft haben Sie Fuller sagen hören: ›Ich lasse nicht zu, daß meine kleinen Leute von diesen verdammten Schnüfflern gequält werden!‹«
Das war ihm nicht zu widerlegen. Sogar ich hatte geargwöhnt, daß Fuller sich einen unwahrscheinlich hohen Grad von Empfindungsvermögen bei den ID-Einheiten einbildete, die er in seinen Simulator einprogrammierte.
Collingsworth breitete die Arme aus und lächelte.
»Ich glaube, Fullers ›grundlegende Entdeckung‹ war, daß seine Reaktionswesen nicht bloß komplizierte Schaltkreise in einem Simulektronikkomplex darstellten, sondern vielmehr wirkliche, lebendige, denkende Persönlichkeiten waren. Seiner Meinung nach haben sie tatsächlich existiert. In einer solipsistischen Welt vielleicht, aber voll des Glaubens, daß ihre Erfahrungen in der Vergangenheit echt seien, daß sie in einem festen Universum lebten.«
»So etwas glauben Sie doch selber nicht!«
Er sah mich amüsiert an.
»Mein Junge, ich bin Psychologe mit großem Interesse für die Verhaltensforschung. Meine Ansichten liegen nur auf dieser Linie. Aber Sie, Fuller, all die anderen Simulektroniker sind eine seltsame Rasse. Wenn man Psychologie mit Elektronik mischt und noch eine größere Dosis Wahrscheinlichkeitsrechnung hinzutut, muß man ja zu recht ausgefallenen Überzeugungen gelangen. Man kann nicht einfach Menschen in eine Maschine stopfen, ohne sich Gedanken über das Wesen von Maschine und Mensch zu machen.«
Die Diskussion geriet immer weiter vom Thema ab. Ich versuchte sie zu steuern.
»Ihre Vermutung über Fullers ›grundlegende Entdeckung‹ nehme ich Ihnen nicht ab. Ich glaube nämlich, daß es sich dabei genau um das handelt, was Lynch mir sagen wollte.«
»Lynch? Wer ist das?«
Ich sah ihn von der Seite an. Dann lächelte ich. Er mußte Jinx Fuller haben sagen hören, daß sie Lynch nicht kannte. Und jetzt wollte er sich einen Spaß erlauben.
»Im Ernst«, fuhr ich fort, »wenn ich Lynchs Geschichte über Fullers ›Geheimnis‹ nicht geglaubt hätte, wäre ich nicht zur Polizei gegangen.«
»Lynch? Die Polizei? Was soll denn das alles?«
Ich begann zu argwöhnen, daß er es ernst meinte.
»Avery, ich bin nicht in der Stimmung für Witze. Ich spreche von Morton Lynch!«
Er schüttelte eigensinnig den Kopf.
»Den kenn’ ich nicht!«
»Lynch!« schrie ich. »Leiter des Sicherheitsdienstes der TEAG.«
Ich deutete auf einen Bronzepokal hinter der Bartheke.
»Dieser Lynch, dessen Name auf dem Pokal steht, weil er Sie im letzten Jahr beim Ballistobrett-Turnier geschlagen hat!«
Collingsworth winkte,
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