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Sind Sie hochsensibel?

Sind Sie hochsensibel?

Titel: Sind Sie hochsensibel? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mvg verlag
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diplomatische Art schätzte. Viele andere gesellschaftlichen Situationenempfand er als sehr nervenaufreibend. Wir vertieften das Gespräch in Bezug auf seine Ablehnung von Gewalt.
    Dan erinnerte sich an wiederholte Raufereien mit seinen Brüdern, die ihn auf den Boden zwangen und ihn mit Fäusten schlugen und traten. (Misshandlungen unter Geschwistern sind eine Form der familiären Gewalt, die man bisher am wenigsten untersucht hat.) Ich überlegte unterdessen, warum solche Schikanen in seiner Familie erlaubt worden waren. Also fragte ich, ob seine Mutter ihn für ein empfindsames Kind gehalten habe.
    â€žIch weiß es nicht. Sie war mir nicht besonders zugewandt.“
    Alarmstufe rot. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, fügte er hinzu: „Mein Vater und meine Mutter waren nicht gerade gefühlvoll.“
    Ich nickte.
    â€žSie waren tatsächlich seltsam. Ich erinnere mich an nichts Positives, was sie betrifft. Kein Kuscheln oder ähnliches.“
    Seine stoische Ruhe begann von ihm abzufallen. Die Geschichte, die er dann erzählte, legte die Geisteskrankheit seiner Mutter offen, die nie behandelt worden war: „Chronische Depression, Schizophrenie. Die Leute im Fernsehen sprachen angeblich mit ihr.“ Sie gab sich Alkoholexzessen hin – nüchtern von Montag bis Freitag und „besoffen und abgetreten“ von Freitag bis Sonntag. „Mein Vater war auch Alkoholiker. Erst schlug er sie, dann verprügelte er sie – die Sache geriet immer mehr außer Kontrolle.“
    Wenn seine Mutter betrunken war, erzählte sie Dan immer dieselbe Geschichte von ihrer eigenen Mutter, die sie als gefühlskalte, unnahbare und kranke Person beschrieb. Sie selbst war von den unterschiedlichsten Haushaltshilfen und Krankenschwestern betreut worden. Später zwangen die Krankheiten ihres Vaters sie zu Hause zu bleiben und ihn zu betreuen, während er langsam starb. (Mangelnde Fürsorge, die sich von Generation zu Generation wiederholt, ist oft ein wichtiger Punkt.)
    â€žSie hörte nicht auf zu schluchzen, während sie das alles erzählte. Sie war eine anständige Frau. Sie war sensibel – vielmehr als ich.“ Und im selben Atemzug: „Aber auch so hinterhältig. Sie hat immer meinen wunden Punkt getroffen – den Dreh hatte sie einfach raus.“ (Nicht alle HSM sind Engel.)
    Dan befand sich in der schrecklichen ambivalenten Situation, die entsteht, wenn der einzige Beschützer gleichzeitig eine große Gefahr darstellt.
    Er beschreibt, wie er sich als Kind versteckte – in Abstellkammern, unter dem Waschtisch, im Auto der Familie. Aber es gab auch eine Person von seelenrettender Bedeutung für ihn. Dan hatte eine Großmutter väterlicherseits, eine strenge Frau mit einem Sauberkeitsfimmel. Nachdem ihr Mann gestorben war, wurde sie zur Gefährtin für den kleinen Dan.
    â€žIn einer meiner frühesten Erinnerungen sitze ich in einer Runde mit drei Frauen um die sechzig, die Canasta spielen. Ich bin sechs und kann die Karten kaum halten. Sie brauchten aber einen vierten Mitspieler und ich fühlte mich in ihrer Runde erwachsen und wichtig und konnte ihnen Dinge sagen, die ich sonst keinem verriet.“
    Diese Großmutter vermittelte Dan die entscheidende Stabilität, die ein hochsensibles Kind so nötig braucht, damit es Strategien für sein Überleben entwickeln kann.
    Dan besitzt aber auch eine wunderbare Unverwüstlichkeit. „Meine Mutter hat mir immer eingeimpft: ‚Müh dich nicht so ab! Aus dir wird sowieso nichts werden. Du hast gar keine Chance.’ Ich habe mich aber entschieden, ihr die Stirn zu bieten.“
    Hochsensibel zu sein schließt nämlich überhaupt nicht aus, auf unsere ganz besondere Art auch einen zähen Überlebenskampf bestreiten zu können. Für Dan war das lebensnotwendig.
    Im Alter von vierzehn nahm er eine Stelle an. Da gab es einen Mann, zu dem Dan aufsah, weil er belesen war und mit ihm wie mit einem Erwachsenen redete. „Ich vertraute ihm und wurde am Ende von ihm belästigt.“
    Wieder ist nicht der einzelne Vorfall eines Missbrauchs von Bedeutung, sondern die lebenslange Situation, die diesen möglichgemacht hat. In Anbetracht seiner Kindheit, musste Dans Hunger nach Nähe zwangsläufig dazu führen, dass er die unterschwelligen Anzeichen für Gefahr außer Acht gelassen hatte. Hinzu kam, dass er nicht wusste, wie

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