Sind Sie hochsensibel?
Bindungâ. 54 Dieser Ausdruck ist der Biologie entlehnt. Alle neugeborenen Säugetiere halten sich an ihrer Mutter fest und die meisten Mütter möchten auch, dass ihre Kinder sich eng an ihnen festhalten, damit sie sich geborgen fühlen können.
Wenn das Kind heranwächst und sich geborgen fühlt, kann es anfangen seine Umgebung zu erkunden und seine Unabhängigkeit zu erproben. Die Mutter wird damit zufrieden sein, zwar jederzeit aufmerksam und bei Schwierigkeiten zum Sprung bereit, aber ansonsten froh, dass ihr Kleines flügge wird. Es wird aber noch immer eine Art unsichtbare Verbindung zwischen Mutter und Kind bestehen bleiben. Im Moment der Gefahr werden sich ihre Körper zusammentun und sich wieder miteinander verbinden, damit sie sich in Sicherheit und ganz geborgen wähnen können.
Die Bezugsperson oder so genannte Mutterfigur kann aber auch Botschaften aussenden, die eine Verunsicherung in der Bindung hervorrufen. Das kann aus unterschiedlichen Gründen passieren, die normalerweise etwas damit zu tun haben, wie Mutter oder Vater selbst herangewachsen sind.
Eine Botschaft lautet beispielsweise, die Welt sei so schlecht oder die Bezugsperson so geistesabwesend oder verletzbar, dass sich der Säugling ganz, ganz fest anklammern müsse. Das Kind wird nicht wagen, Fremdes allein zu erkunden. Vielleicht mag die Bezugsperson diese Erkundungsgänge nicht oder sie hat Angst, das Kind zu verlieren, wenn sie es nicht festhält. Von diesen Kindern wird angenommen, dass sie ängstlich über die Bindung zu ihrer Bezugsperson wachen und vollständig davon in Anspruch genommen sind.
Die andere Botschaft, die ein Säugling möglicherweise empfängt, besteht darin, dass die Bezugsperson gefährlich sei oder gemieden werden sollte. Oder dem Kind wird glauben gemacht, dass man es lieber habe, wenn es weniger Schwierigkeiten mache und eigenständiger sei. Vielleicht ist die Bezugsperson zu gestresst und kann sich nicht richtig um das Kind zu kümmern. Dann gibt es auch Bezugspersonen, die sich, vielleicht in Zeiten von Angst und Depression, sogar wünschen, dass ihr Kind verschwinden oder sterben möge. In solchen Fällen glaubt der Säugling, es sei am besten überhaupt keine Bindung aufzubauen. Von diesen Kindern sagt man dann, sie seien vermeidend . Wenn man sie von ihren Eltern trennt, scheint ihnen das egal zu sein. (Manchmal hat ein Kind natürlich zu dem einen Elternteil eine gefestigte Bindung, aber zu dem anderen nicht.) Ausgehend von unseren ersten Bindungserfahrungen neigen wir dazu, eine ziemlich bleibende Vorstellung von den Personen zu entwickeln, denen wir nahe stehen und auf die wir uns verlassen können. Während dieser Tatbestand anscheinend nach einer Erklärung für Unnachgiebigkeit und verlorene Gelegenheiten klingt, war es für Ihr Ãberleben jedoch wichtig, den Wünschen Ihrer ersten Bezugspersonbezüglich der Art und Weise der Bindung zu entsprechen. Selbst wenn diese Bindung heute nicht mehr für Ihr Ãberleben notwendig ist, besteht die Programmierung auf eine bestimmte Bindungsart immer noch und prägt Sie nach wie vor. Dieses einmal erlernte Bindungsverhalten â ob geborgen, ängstlich oder vermeidend â verspricht noch immer sinnvoll zu sein und Sie vor gravierenden Fehlern zu bewahren.
Erste Bindungserlebnisse beeinflussen Sie in Ihrem Umgang mit Ihrem Körper
Erinnern Sie sich an die hochsensiblen Kinder aus dem letzten Kapitel, bei denen auch in ungewohnten Situationen keine Langzeiterregung nachgewiesen werden konnte? Ihnen standen aufmerksame Bezugspersonen zur Seite oder sie besaÃen eine sichere Bindung zu ihrer Mutter. Dies lässt vermuten, dass die HSM unter Ihnen, die in Geborgenheit aufwuchsen, genau wussten, dass sie sich sicher fühlen konnten, und daher mit Ãberstimulierung recht gut umgehen konnten. Vor diesem Hintergrund haben sie dann gelernt, für sich selbst das zu tun, was Ihre Bezugsperson während der Kindheit für sie getan hat.
Ihr Körper lernte, nicht jedes neue Erlebnis als Bedrohung wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren. Da es nicht zu nervlicher Erregung kam, blieb dem Körper die Erfahrung einer beunruhigenden Langzeiterregung erspart. So fanden sie zum einen heraus, dass der Körper ein Freund war, dem man trauen konnte, und zum anderen, dass sie einen besonderen Körper mit einem sensiblen Nervensystem besaÃen. Sie konnten
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