Sind Sie hochsensibel?
seine Richtung wie in Gegenden mit Wirbelstürmen. Und tatsächlich nehmen aus diesem Chaos einige Wolkenmassen die Form von Wirbeln an. Sie speisen sich gegenseitig mit Kraft, bis ein wütender Tornado über das Land rast. Mitten in der Nacht bricht ein höllischer Orkan los.
Irgendwo und irgendwann muss dieser Schrecken aufhören, aber es gibt keine Möglichkeit diesen Zufluchtsort zu finden, denn in diesem Wetter gibt es kein Vorne oder Hinten, keinen Osten oder Westen, sondern nur das ständige Kreisen in Richtung eines gefährlichen Zentrums.
Ich habe mir vorgestellt, dass Jesse dies erlebt, nachdem er mit seiner Mutter und seinen beiden älteren Schwestern zum Einkaufszentrum gefahren wurde â zuerst im Autositz, dann im Buggy und dann wieder im Auto zurück nach Hause. Es war ein Samstag und das Einkaufszentrum war zum Bersten voll mit Menschen. Auf dem Heimweg haben sich seine Schwestern darüber gestritten, welchen Radiosender sie hören wollten und jede von ihnen hat die Lautstärke noch weiter aufgedreht. Auf der StraÃe herrschte mächtig viel Verkehr und seine Mutter musste häufig bremsen und erneut anfahren. Sie sind spät nach Hause gekommen, lange nach Jesses eigentlicher Schlafenszeit.
Als seine Mutter ihn stillen wollte, hat er nur geschrieen und Theater gemacht â zu genervt um sich seinem etwas wenigerstarken Hungergefühl zuzuwenden. Deshalb versuchte seine Mutter ihn zum Einschlafen zu bringen â da brach dann der Orkan los.
Wir sollten nicht vergessen, dass Jesse auch Hunger hatte. Hunger ist ein weiterer Reiz, der in uns ausgelöst wird. Abgesehen davon, dass er uns noch mehr erregt, verursacht er eine Verminderung jener biochemischen Substanzen, die für die normale, ruhige Funktion des Nervensystems notwendig sind. Meine Forschung hat gezeigt, dass Hungergefühle HSM besonders stark angreifen. Ein HSM sagte mir: âWenn ich müde bin, verfalle ich anscheinend in das Alter zurück, in dem ich mich fast selbst sagen höre, ich müsse jetzt sofort meine Milch und meine Kekse bekommen!â Sind unsere Nerven aber erst einmal überreizt, verspüren wir oft gar keinen Hunger mehr.
Sich um einen hochsensiblen Körper zu kümmern, erfordert genauso viel Aufmerksamkeit wie das Versorgen eines Säuglings.
Warum ist der Körper so wichtig?
Denken Sie einmal darüber nach, was der Säugling mit dem Körper gemeinsam hat. Zunächst einmal sind beide höchst zufrieden und kooperativ, wenn sie nicht überstimuliert, todmüde oder hungrig sind. AuÃerdem sind sowohl Säuglinge als auch empfindsame Körper weitestgehend nicht in der Lage, sich im Zustand der Erschöpfung selbst zu helfen. Als Baby waren Sie auf die Fürsorge anderer angewiesen, die Ihre einfachen, grundlegenden Bedürfnisse befriedigten und Sie beschützten. Ihr Körper ist jetzt in gleicher Weise auf Sie angewiesen.
Ebenso können beide ihre Probleme nicht in Worten ausdrücken. Sie können nur immer lauter werdende Signale als Hilferuf aussenden oder ein ernstes Symptom entwickeln, das sich nicht ignorieren lässt. Jemand, der die Fürsorge wichtig nimmt, weiÃ, dass man sich viel Kummer ersparen kann, wenn man auf die ersten Anzeichen von Not reagiert.
Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, liegen also diejenigen falsch, die behaupten, ein Neugeborenes oder eben unser Körper könnte verzärtelt werden und man solle beide ruhig âschreien lassenâ. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Säugling weniger und nicht häufiger schreit 53 , wenn man auf sein Geschrei prompt reagiert (ausgenommen sind die Situationen, wo die Ãberstimulierung durch eine direkte Antwort nur noch verstärkt wird).
Ihr Körper ist ein Experte in Sachen Sensibilität. Er war vom Tag der Geburt an sehr reizempfindlich. Er weiÃ, was damals am schwierigsten war und was jetzt schwierig ist. Er weiÃ, was Ihnen fehlt und was Sie von Ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen darüber gelernt haben, wie Sie ihn behandeln sollten, was er braucht und wie Sie sich in Zukunft um ihn kümmern können. Hier sollten wir beginnen, denn ein guter Anfang ist schon die halbe Miete.
Sie und Ihre Bezugsperson
Ungefähr die Hälfte oder ein wenig mehr als die Hälfte aller Säuglinge werden von ihren leiblichen Eltern groÃgezogen und werden zu Kindern mit einer so genannten âsicheren
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