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Sind Sie hochsensibel?

Sind Sie hochsensibel?

Titel: Sind Sie hochsensibel? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mvg verlag
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hinaus wird manches Wichtige absichtlich vergessen, weil es so leidvoll war. Wenn die Bezugsperson beispielsweise böse oder gefährlich war, wurde das vom Bewusstsein verdrängt, weil es zu schrecklich war, sich so etwas einzugestehen – auch wenn das Unterbewusstsein daraufhin eine zutiefst misstrauische Haltung entwickelte.
    Die gute Nachricht besteht aber darin, dass wir an diesen negativen Auswirkungen arbeiten können. Ich habe HSM erlebt, die genau das getan haben und von vielen Ängsten und Depressionen befreit wurden. Aber das dauert eben seine Zeit.
    Selbst wenn Ihre Kindheit wundervoll war, war es für Sie vielleicht dennoch schwierig hochsensibel zu sein. Sie fühlten Ihre Andersartigkeit. Ihre Eltern wussten nicht, wie man mit einem empfindsamen Kind umgehen sollte. Es gab einfach nicht genügend Informationen über diesen Wesenszug und es entstanden viele Spannungen bei dem Versuch, Sie zu einem
normalen
Menschen, das heißt gemäß der allgemeinen Idealvorstellungen, zu erziehen.
    Ein letzter Aspekt, den Sie sich merken sollten: Die Kindheit sensibler Jungen und Mädchen unterscheidet sich wesentlich voneinander. Deshalb werde ich in diesem Kapitel häufig innehalten, um darauf hinzuweisen, wie Ihre Erfahrung sich wohlmöglich von der des anderen Geschlechts unterscheidet.
    Marsha und Ihr vermeidendes Verhalten
    Marsha, ein HSM um die Sechzig, kam mehrere Jahre lang zu mir in Psychotherapie in der Hoffnung einige ihrer zwanghaften Verhaltensweisen zu verstehen. In ihren Vierzigern hatte sie zu dichten und fotografieren begonnen und mit Sechzig erlangten ihre Arbeiten beachtliche Wertschätzung.
    Wenn ihre Geschichte auch leidvoll war, so gaben ihre Eltern im Grunde ihr Bestes. Marsha hat sich konstruktiv mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt und befindet sich in einem fortschreitenden Lernprozess. Dies wird sowohl innerlich als auch äußerlich ersichtlich, da sie diesem Prozess in ihrer Kunst Ausdruck verleiht. Ich glaube, dass sie die Frage, ob sie glücklich sei, heute mit „ja“ beantworten würde. Was jedoch am meisten zählt, ist ihr stetiges Wachstum an Weisheit.
    Marsha war das jüngste von sechs Kindern einer Einwandererfamilie, die sich in einer Kleinstadt im mittleren Westen der USA bis aufs Äußerste abmühte. Marshas ältere Schwestern erinnern sich an das Schluchzen ihrer Mutter, jedes Mal, wenn eine neue Schwangerschaft sich ankündigte. Marshas Tanten, die Schwestern der Mutter, haben ihre Mutter als zutiefst depressiv inErinnerung. Marsha dagegen kann sich überhaupt nicht erinnern, ihre Mutter je traurig, depressiv, übermüdet oder hoffnungslos gesehen zu haben. Sie sei eine tadellose deutsche Hausfrau und hingebungsvolle Kirchgängerin gewesen. Dementsprechend kennt Marsha ihren Vater nur als „arbeitend, essend und schlafend“.
    Die Kinder fühlten sich nicht ungeliebt. Aber ihre Eltern hatten einfach keine Zeit für Zärtlichkeiten, Gespräche, Urlaube, Hilfe bei den Hausaufgaben, dem Vermitteln von Lebensweisheiten oder Zuwendung durch Geschenke. Diese „Brut von sechs Küken“ – wie Marsha sich selbst und die anderen manchmal beschrieb – zog sich überwiegend selbst groß.
    Bezüglich der drei Bindungstypen (geborgen, ängstlich und vermeidend – vgl. Seite 82 ff.) verlangten die Umstände ihrer Kindheit von Marsha eine vermeidende Haltung. Sie musste ein Kind sein, das niemanden brauchte und so wenig Schwierigkeiten wie möglich verursachte.
    Marsha und Ihre Brüder
    Während ihrer ersten zwei Lebensjahre teilte Marsha aufgrund der mangelnden Schlafgelegenheiten ihr Bett mit drei älteren Brüdern. Leider benutzten diese ihre kleine Schwester für sexuelle Experimente, wie es Kinder in unbewachten Augenblicken manchmal tun. Nach zwei Jahren zog sie in das Zimmer ihrer Schwestern um. Alles, woran sie sich erinnert, ist, dass sie sich nachts endlich ein bisschen sicherer gefühlt habe. Sie blieb aber die Zielscheibe für gemeine und offenkundig sexuelle Belästigungen durch einen ihrer älteren Brüder, bis sie zwölf war.
    Marshas Eltern bemerkten nichts von alldem. Marsha glaubt, dass ihr Vater ihre Brüder umgebracht hätte, wenn sie ihm je davon berichtet hätte. Töten gehörte ja zum täglichen Leben. Es schien ständig stattzufinden. Marsha erinnert sich, dass sie sich durch das regelmäßig

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