Sind Sie hochsensibel?
verwirrende Situation! Sie können die Quelle Ihrer Erregung überhaupt nicht mehr kontrollieren. Ihre innere Eingebung sagt Ihnen, dass der andere, der normalerweise so hilfreich ist, jetzt keinerlei Schutz bietet. Dennoch lacht der andere, hat Spaà und erwartet dasselbe von Ihnen.
Hier liegt der Grund, warum es Ihnen selbst heute noch schwer fallen mag herauszufinden, was Sie mögen und was nicht, unabhängig davon, was andere von Ihnen erwarten oder was andere meinen, was Sie mögen sollten.
Ich erinnere mich daran, einmal zwei Hundebesitzern zugeschaut zu haben, die ihre kleinen Welpen mit zur Brandung nahmen und sie dann ins tiefe Wasser warfen. Die Hunde schwammen verzweifelt zurück in die Arme ihrer Besitzer, selbstwenn das eine Wiederholung dieser Prozedur bedeutete. Es war nicht nur ihre einzige Alternative zum Ertrinken, sondern die Welpen hatten diese Arme ja bisher als Inbegriff von Sicherheit und Nahrung kennengelernt. Also wedelten sie heftig mit dem Schwanz, als sie wieder an Land waren. Ich schätze, ihre Besitzer deuteten das so, dass die Welpen dieses Spiel herrlich fanden. Und vielleicht waren sich sogar die Welpen selbst nach einer Weile nicht mehr ganz so sicher, ob Sie es nicht auch
herrlich
finden sollten.
Ein HSM erzählte mir in diesem Zusammenhang von seiner frühesten Erinnerung, in der er zu den rhythmischen Versen eines Kinderliedes in einer Runde von erwachsenen Familienmitgliedern herumgereicht wurde. Anstatt zu weinen und damit die Eltern zum Einschreiten zu bewegen, hielt das zwei Jahre alte Kind still und wurde in einem Kreis von Fremden von einem zum anderen gereicht. Als dieser HSM seine lange unterdrückten Gefühle erneut durchlebte, erkannte er, dass dieses Hochnehmen und Herumreichen bei ihm ein Gefühl des hilflosen Ausgeliefertseins hinterlassen hatte, während er den Schutz der Eltern vermissen musste.
Alles läuft darauf hinaus, dass wir in unseren ersten Lebensjahren entweder gelernt haben den anderen â und damit der AuÃenwelt im Allgemeinen â zu vertrauen oder eben nicht. Wenn Sie anderen vertrauten, konnten Sie Ihre Sensibilität bewahren und Sie wurden selten von belastenden Langzeiterregungen heimgesucht. Sie wussten damit umzugehen, Sie schienen diese unter Kontrolle zu haben. Wenn Sie andere darum baten, mit einer Sache aufzuhören, so taten diese es. Sie wussten, dass Sie darauf vertrauen konnten, dass man Ihnen helfen würde, anstatt Sie überzustrapazieren. Chronische Schüchternheit, Ãngstlichkeit oder soziale Vermeidung kann damit beginnen, dass dieses Vertrauen durch frühkindliche Erfahrungen nicht aufgebaut wurde. Urvertrauen ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden.
Es muss weder ausschlieÃlich das eine noch lediglich das andere auf Sie zutreffen. Sie haben wahrscheinlich gelernt in einigen Situationen stärker zu vertrauen als in anderen. Es ist jedoch auch bewiesen, dass sich ein Kind bereits in den ersten beiden Lebensjahren eine zu jeder Situation passende Strategie zurechtlegt und diese kann sehr beständig sein. 61
HSM mit positiven Kindheitserfahrungen
Es gibt übrigens gute Gründe anzunehmen, dass viele HSM eine ungewöhnlich gute Kindheit hatten. Gwynn Mettetal ist Psychologin an der Universität von Indiana. Sie untersucht, wie man Eltern von Kindern mit
schwierigem
Temperament am besten helfen kann. Sie stellte fest, dass die meisten Eltern alles daran setzen, ihre Kinder zu verstehen und sie in der rechten Art und Weise zu erziehen. Erkennt ein sensibles Kind diese guten Absichten, kann es das Gefühl geliebt zu werden, viel stärker aufbauen als andere. 62
Eltern entwickeln oft eine besonders enge Beziehung zu ihrem hochsensiblen Kind. Die Kommunikation läuft eher unterschwellig ab und den Erfolgen im Leben wird eine gröÃere Bedeutung beigemessen. âSchau mal, Mama, ich habe ein Tor geschossen!â â dieser Satz erhält für Eltern und Trainer eine viel tiefere Bedeutung, wenn der FuÃballspieler ein HSM ist. Da der sensible Wesenszug angeboren ist, besteht auÃerdem eine gute Chance, dass zumindest einer der beiden Elternteile sein hochsensibles Kind sehr gut versteht.
Forschungen an der Medical School der University of California in San Francisco haben ergeben, dass Kinder, die gegenüber Stress hochsensibel reagieren, häufiger Verletzungen und Krankheiten aufweisen als andere, wenn sie unter Stress stehen.
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