Sind Sie hochsensibel?

Gefühle wie etwa Egoismus, Frustration, Ärger und Wut zu ignorieren begannen. Da Sie so darauf aus waren zu gefallen, durften Ihre Mitmenschen Ihre Bedürfnisse ruhig ignorieren, auch wenn diese oft sogar größer waren als die der anderen. Dies aber heizte insgeheim Ihre Wut an und gleichzeitig erschreckten Ihre eigenen Gefühle Sie so sehr, dass Sie diese lieber begruben. Die Angst davor, dass diese Emotionen ausbrechen könnten, wäre eine weitere mögliche Quelle für unbegründete Ängste und Alpträume. 63
    Schlussendlich neigte sich die Geduld, die man Ihnen während der ersten drei Lebensjahre entgegengebracht hatte, ihrem Ende zu. Man hatte gehofft, dass Sie ihrer extremen Sensibilität entwachsen würden. Doch als Ihre Schulzeit nahte, wussten Ihre Eltern, dass in der Schule niemand, also auch Sie nicht, sanft behandelt werden würde. Vielleicht haben Ihre Eltern angefangen, sich selbst die Schuld zu geben, weil sie Sie zu sehr beschützt hatten und begannen nun quasi zum Ausgleich mehr von Ihnen zu verlangen. Vielleicht haben sie auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen, was bei Ihnen umso mehr den Eindruck verstärkt haben mag, dass mit Ihnen etwas nicht stimme. All dies könnte auch zu Ihrer heutigen Ängstlichkeit beigetragen haben.
    Sensible Jungen und ihr Problem
    Es scheint genauso viele Männer wie Frauen zu geben, die als HSM geboren werden. 64 Doch der jeweilige Kulturkreis schreibt ganz genau vor, wie kleine Jungen und Mädchen sich zu benehmen haben.
    Die Unterscheidung ist für uns so enorm wichtig, dass es fast schon wieder lachhaft ist. Einer meiner Kollegen erzählte mir von seinem formlosen sozialpsychologischen Experiment: Ein Neugeborenes wurde in einem Park mit einer Begleitperson allein gelassen. Auf die Frage von Passanten behauptete diese stets sich nur bereit erklärt zu haben, ein paar Minuten bei dem Säugling zu bleiben, und nicht zu wissen, ob es sich dabei um einen Jungen oder um ein Mädchen handele. Jeder, der anhielt, um das Kind zu beäugen, reagierte ziemlich ungeduldig auf die Tatsache, das Geschlecht des Babys nicht in Erfahrung bringen zu können. Es gab sogar einige, die sich anboten das Kind auszuziehen, um dies herauszufinden. Untersuchungen zeigen, warum das Geschlecht nicht nebensächlich ist: Man neigt dazu, weibliche und männliche Säuglinge recht unterschiedlich zu behandeln. 65
    Es ist faszinierend, wie stark Sensibilität mit dem Geschlecht in Verbindung gebracht wird: Frauen sollen sensibel sein, Männerdagegen nicht. Alles beginnt dabei zu Hause. Studien beweisen, dass kleine schüchterne Jungen von ihren Müttern nicht so sehr gemocht werden. Glaubt man den Forschern „kann dies als Konsequenz des Wertesystems der Mutter“ interpretiert werden. 66 Was für ein Start ins Leben! Schüchterne Jungen bekommen negative Rückmeldungen auch von anderen Bezugspersonen, insbesondere, wenn der Junge auch zu Hause ein sanftes Wesen zeigt.
    Sensible Mädchen – Mutters liebste Gefährtinnen
    Im Gegensatz zu schüchternen Jungen kommen schüchterne Mädchen mit ihren Müttern bestens aus – sie sind die Guten. 67
    Das Problem entsteht hier eher dadurch, dass empfindsame Mädchen übermäßig beschützt werden. Eine Mutter sieht in ihrer sensiblen Tochter vielleicht das Kind ihrer Träume – dasjenige, das niemals ihr Zuhause verlassen soll, kann und wird. Diese Einschätzung dämpft selbstverständlich den natürlichen Drang des kleinen Mädchens seine Umwelt zu erforschen und Ängste zu überwinden.
    Mädchen zeigen in jedem Alter häufiger negative Reaktionen auf Haltungen wie Kritik, Ablehnung und Kälte vonseiten der Mutter – sie ziehen sich zum Beispiel schnell in sich zurück. 68 Wahrscheinlich trifft dies auf sensible Mädchen umso mehr zu. Darüber hinaus vergessen Väter oft, ihren Töchtern bei der Überwindung von Ängsten zu helfen. Insgesamt werden Mädchen von beiden Elternteilen stärker beeinflusst – das kann sowohl negative als auch positive Auswirkungen haben. 69
    Nachdem Sie all das gelesen haben, wird es Zeit, über die Möglichkeiten nachzudenken, sich selbst „nachzubeeltern“. Fangen Sie zu diesem Zweck mit der Selbsteinschätzung in folgender Übung an:
    WIE SIE MIT NERVLICHER ÜBERERREGUNG UMGEHEN
    Zögern Sie nicht, mehrere der unten