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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
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da so macht? Puh... also... wahrscheinlich heilen, helfen, Wunder wirken... was sagst du, Jakob? Ach so, alles klar. Er sagt, wichtig ist, dass man einen gewaltsamen Tod stirbt, weil man dann zum Märtyrer erklärt und leichter heiliggesprochen wird. Na ja, muss man mögen, ist nicht jedermanns Sache. Andererseits, Parksheriff will auch nicht jeder werden, und trotzdem muss es wer machen. Oder Steuerbeamter und Mistkübelausleerer. Nein, nein, ich will das nicht grundsätzlich vergleichen mit allen Heiligen. Aber vom gewaltsamen Tod her, wegen dem Märtyrer und so... also, da gibt es dann schon Parallelen zum Parkscheriff, insofern als dass das etwas ist, was nicht jeder spontan will, nicht wahr? So war das gemeint eher, von dem her. Alles klar, keine Ursache. Ich wollte da in keinem Fall, nein, also wirklich nicht. Im Gegenteil, ich bin da sehr für das Verbindende, das Gemeinsame, natürlich. Bin ganz bei Ihnen. In dem Sinn, Wiederschaun .
    Verzeihung, ich hatte gerade ein Gespräch auf der anderen Leitung. Aber schön, dass Sie gewartet haben.

Sonntag, 24. Mai
    Nach der Lesung war ich noch ein wenig unterwegs. Ein Freund von mir ist ein, ich möchte fast sagen: international lässiger DJ und hat in Wien aufgelegt. Er hat mich auf die Gästeliste des Clubs geschrieben, was mich natürlich extrem stolz gemacht hat. Ich als aufstrebender Literat auf der Gästeliste des etablierten DJs und Musikproduzenten. Ich bin dabei, ich bin hip. Besonders gefreut hat mich das mit der Gästeliste, weil an dem Abend überhaupt kein Eintritt verlangt wurde. Es gab keinen Türsteher, niemanden, den ich mit einem beiläufig hingeworfenen »Ich bin auf der Liste« beeindrucken hätte können. Ich habe kurz überlegt, ob ich jemand Wildfremdem erklären soll, dass ich auf der »Liste« bin. Möglicherweise hätte er oder sie mich dann aber für sehr blöd, eventuell sogar für gefährlich gehalten. Und das will ich ja wirklich nicht. Genauso gut könnte man jemanden ansprechen und ihm wissend »Ich habe mir gerade ein Bier gekauft« ins Ohr raunen oder »Ich habe mir heute die Schuhe selbst gebunden, ich, ich selbst !« Man sollte nicht allzu überrascht tun, wenn man dann von anderen für seltsam gehalten wird. Mein Gott, ist halt so.
    Wie auch immer: Ich war also in diesem Club und habe ansatzweise verstanden, warum im Zusammenhang mit Pop immer wieder von »Jugendkultur« die Rede ist und nicht von »Lebenssituationen-jeglichen-Alters-Kultur«. Kurz, ich bin mir sehr alt vorgekommen. Ich glaube schon, dass ich mich mit all den zwanzigjährigen Damen wunderbar unterhalten könnte, geistreiche Gespräche führen, lachen, philosophieren usw., das Übliche halt. Ich kann mir das gut vorstellen. Das Problem ist nur: Sie können sich das mit mir nicht vorstellen. Die möchten mir maximal über die Straße helfen und wissen, ob ich einen Sohn in ihrem Alter habe. Na ja. Das ist vielleicht nicht toll, aber gut ist, dass ich es weiß. Schlecht wäre, wenn ich mich so benehmen würde, wie die Horde von Anzugträgern mit Sekretärinnen-Entourage, die den Dancefloor in Beschlag genommen haben. Wissen die denn alle nicht, wie alt sie sind? Fällt ihnen nicht auf, dass sie die einzigen sind, die vor Begeisterung völlig auszucken, wenn der DJ — natürlich ironisch gebrochen — Culture Beat, SNAP! & Co auflegt? Merken sie denn nicht, wie sich am Rand der Tanzfläche zwanzigjährige Stirnen in Falten legen, weil nicht klar ist, ob das jetzt lustig ist oder ob sie doch lieber woanders hingehen sollen? Vierzigjährige Anzugmenschen, als ultimativer Ausdruck ihrer Hemmungslosigkeit die beiden obersten Hemdknöpfe offen und mit lockerem Krawattenknoten, samt Vertreterinnen der Prosecco-Fraktion, eine Mischform zwischen Juristin und Buchhaltung, die begierig auf die Kellner starren, die ihre Söhne sein könnten (nicht meine, ihr zwanzigjährigen Ladys, sorry). Während sie in ihren engen Kleidchen und Röcken arhythmisch zu Eurodance wippen, denken sie bestimmt, sie hätten etwas von Paris Hilton. Und fühlen sich dadurch nicht einmal beleidigt.
    Kein Wunder, dass ich Alkohol brauche. Erst die überaus freundlichen Reaktionen auf meine Lesung, und jetzt diese Vorhölle. Da muss man ja... na egal, prost!
    Apropos peinliches Nicht-in-Würde-altern-Wollen: Ich gehe heute zu AC/DC. Und so viel ich weiß, gehen dort ausschließlich alte Säcke hin wie ich. Junge Säcke können sich die unverschämt teuren Karten wahrscheinlich nicht leisten. Könnte ich

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