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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
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angekotzt. Das hat den Appetit einer drallen Blonden deutlich gezügelt.
    Am Morgen danach kann ich verlässlich sagen: Alkohol ist auch kein Weg. Ich fühle mich wie eine wandelnde Weltwirtschaftskrise. Zusätzlich zu den Auswirkungen von billigem Weißwein und Bier hat sich eine Verkühlung zu mir gesellt. Ich bin unzufrieden. Mein Hals schmerzt, der Kopf auch, und die Augen brennen.
    Das mit der Aftershow-Geschichte stimmt übrigens nicht. Aber man darf ja wohl auch einmal etwas erfinden.

Montag, 8. Juni
    Na bumm , zwei Wochen nichts geschrieben. So wird mir der hl. Jakob seinen Segen kaum geben. Ich verbringe eindeutig zu viel Zeit auf Facebook, und Facebook ist der ultimative Zeitkiller. Vielleicht schalten sie deshalb relativ wenig Werbung. Facebook wird von den Regierungen bezahlt, damit die Bürger beschäftigt sind. Wer dauernd auf Facebook ist, leistet zwar nichts Produktives in dem Sinn, er stellt aber auch keine blöden Fragen. Wie: »Warum geben wir so viel Geld aus, um das Bankensystem zu retten, wo wir doch wissen, dass es der Auslöser der Krise ist und nicht ihre Lösung ?« Oder: »Warum kaufen Konzerne dauernd Medienunternehmen, wo die doch angeblich völlig unprofitabel sind? Doch nicht, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen ?« Oder: »Haltet ihr uns wirklich für völlig verblödet ?«
    Ich weiß, dass ich diese Fragen stellen sollte, stelle sie aber nicht, weil ich dauernd auf Facebook bin. Oder mit Xaver trinken gehe. Und auch dann bin ich per iPhone meistens auf Facebook. Weil das direkte Gespräch zwischen zwei Menschen da einfach nicht mithalten kann. Die Status-Updates sind nicht so originell formuliert, das echte Äußere ist nie so hübsch wie ein Profilfoto usw. Es gibt viele Gründe, in den virtuellen Raum zu flüchten, weil die echte Welt nicht so schön ist. Besonders wenn man gerade Alkohol zu sich nimmt. Man trinkt, starrt ins Lokal und auf Facebook. Was für ein Leben! Hätte man vor zweihundert Jahren auch niemandem erklären können.
    Apropos. Das Haus, vor dem ich heute mit einem (einer?) Cola sitze, trägt die Zahl 1809 auf der Fassade. Ich gehe nicht davon aus, dass das die Hausnummer ist. Also wird es wohl das Baujahr sein. Toll. 1809 hätte theoretisch noch Mozart leben können, wenn er nicht so jung gestorben wäre. Vielleicht wäre er dann im selben Gastgarten gesessen wie ich. Ich meine, wenn etwas einhundert Jahre alt ist, ist das schon recht viel. Aber auch nicht umwerfend viel. Mein Großonkel war zum Beispiel auch einhundert Jahre alt. Als historisch in dem Sinn würde ich ihn deshalb nicht bezeichnen. Aber zweihundert Jahre, wie das Haus hier, das ist schon was, vor allem, wenn man sich vorstellt, wer da aller noch gelebt hat oder gelebt haben könnte. Mozart ist im Vergleich zu meinem Großonkel auch nur ein Mensch, beide waren exzentrisch und hatten schlohweißes Haupthaar. Aber Mozart ist in seiner geschichtlichen Bedeutung schon wesentlich anerkannter als mein Großonkel, muss man sagen.
    Es hat sich nicht vermeiden lassen, dass ich beim Zappen im Fernsehen über den Moderator und Showmaster (ein sogenannter »Scheinanglizismus«, denn kein Amerikaner verwendet diesen Ausdruck, genauso wenig wie er mit einem Handy telefonieren würde.) Frank Elstner gestolpert bin. Ein Wahnsinn. Biederkeit mit Kermit-Augen hinter Brillen. Immerhin ist er in Linz geboren, also quasi einer von uns. Außerdem entnehme ich Wikipedia, dass Frank Elstner den Jakobsweg beschritten hat. Langsam wird es mir zu bunt. Offenbar war schon jeder Volldepp einmal auf dem Jakobsweg, nur ich nicht. Und ich überlege, ob es nicht klüger wäre, etwas komplett anderes zu machen, statt Ortschaften zu besuchen, die zufällig St. Jakob heißen. Meinetwegen St. Kevin... oder Krmblfxtr . Davon gibt es sicher weniger, dafür fällt die Auswahl leichter. Andererseits bin ich darauf gekommen, dass Jimmy die Kurzform von James ist, was wiederum die englische Version von Jakob ist. Wenn das kein Zeichen ist. Warum? Weil zwei Freunde von mir Jimmy heißen beziehungsweise James. Ich bin beeindruckt. Also doch nach St. Jakob.
    Ich werde heuer vierzig, definitiv ein Alter, in dem man sich damit abfinden sollte, dass man erwachsen ist. Bäume pflanzen ist mir zu langwierig. Haus bauen ist auch mühsam — kauft man besser ein fertiges. Aber Kind zeugen... das würde passen, rein vom Alter her. Das wiederum würde heißen: Aus mit Durchmachen, Ausschlafen und Rock’n’Roll generell. Außerdem, mit meinem

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