Sind wir bald da
Menschen, die im Lotto gewinnen oder unerwartet erben, können mit dem Geld nicht umgehen und verlieren es relativ umstandslos wieder. Darum mein Gedanke: Vielleicht sollte man dem Geld nicht hinterherkriechen, sondern lieber ein hübsches Nestchen für die Kohle bauen. Ein Umfeld schaffen, wo man zufrieden ist und wo keine Angst herrscht. Wäre ich Geld, würde ich so etwas suchen und zu genau solchen Menschen gehen. Wenn man in freier Wildbahn ein Tier fangen will, legt man ja auch lecker Futter aus, versucht, die Umgebung attraktiv zu gestalten, und versteckt dort irgendwo die Schlinge. Logisch, in einer betonierten Garage mit einer abgelaufenen Dose Szegediner Krautfleisch nach Antel -Art braucht man keine Fangschlinge auslegen. Da fällt kein Reh drauf rein. Auch kein Hirsch. Nicht einmal eine Wildsau. Und so ist das eben auch mit dem Geld. Man muss es sich schön heimelig herrichten und sagen: »Servus, grüß dich Zaster. Ich wäre dann so weit, du kannst kommen .«
Freitag, 22. Mai
Die vergangenen Tage waren sehr in Ordnung. Ich bin zufrieden. Vor einigen Wochen war ich noch recht deprimiert und habe dem Universum auch unmissverständlich mitgeteilt, dass ich jetzt frustriert bin und dass das so nicht weitergehen kann. Weil ich sonst eine Kirche schänden oder irgendeinen symbolischen Akt in der Richtung setzen muss. Ich habe mir ausgemalt, auf einen Altar zu pinkeln. Damit das Universum versteht, was ich meine. Damit es merkt, wie unzufrieden ich wirklich bin. Natürlich bin ich bei dem Gedanken erschrocken (man ist ja katholisch erzogen), und ich hätte so etwas niemals wirklich gemacht. Aber der Gedanke ist mir gekommen, dass man mit dem Universum (dem Leben, der Schöpfung, Gott, ist ja alles das Gleiche, egal wie man es nennt) reden muss wie mit einem Freund. Nein, sogar wie mit einem kleinen Kind (was nicht heißt, dass ein kleines Kind kein Freund sein kann). Also: schimpfen, ins Gewissen reden, sagen, dass das so und so nicht geht, dass es sich zusammenreißen soll, weil man auch nur ein Mensch ist, und dass einem jetzt bald der Geduldsfaden reißt. Ich war also sehr frustriert, habe geschimpft wie ein Rohrspatz — und siehe da: Das Universum hat mir Zeichen geschickt, dass es eh da ist, dass eh alles in Ordnung ist.
Ich bin in einem Kaffeehaus gesessen und habe mit Interesse zwei Damen um die vierzig gemustert, die vom Gesichtsausdruck her Sternzeichen Zitrone gewesen sein müssen. Gerne hätte ich abfällige Kommentare gemacht, mich über ihr grantiges Gehabe lustig gemacht. Ich habe es nicht getan, weil die Freunde, mit denen ich unterwegs war, mich mit Gesprächen abgelenkt haben und die Distanz einfach zu gering war. Wäre am Nebentisch gehört worden. Ich zahle irgendwann und stehe auf, da lüpft eine der beiden Zitronen ihre Sonnenbrille und ruft in meine Richtung: »Danke für das schöne Buch, ich habe mich sehr gut unterhalten .« (Sie meint Ich scheiss mich an, ein schönes Buch, dass ich gemacht habe. Kolumnen und Zeichnungen, was man halt so daheim hat.) Bumm , da habe ich dann schön blöd geschaut. Reflexartig habe ich ein »Danke, sehr nett« gestammelt und mich sehr geschämt, dass ich so gehässig gewesen bin. Nein, man sollte Menschen wirklich nicht nur nach dem Äußeren beurteilen.
Da bin ich dann gleich selig durch den restlichen Arbeitstag geschwebt und habe mich über so schönes Feedback gefreut. Das gehört gefeiert. Folgerichtig treffe ich mich mit Xaver und überprüfe die lokale Gastronomie. Nach einiger Zeit steht im Gastgarten ein junger Mann auf, der eher Ethnologiestudent als Börsenbroker ist (wobei, man soll sich ja von Äußerlichkeiten nicht beeindrucken lassen, wie ich eben gelernt habe), und kommt an unseren Tisch und sagt: »Danke für Jahre guter Unterhaltung im Radio am Donnerstagabend .« (Er meint wohl die Sendung Projekt X, die ich seit zirka fünfzehn Jahren mit zwei Freunden mache.) Jetzt gehe ich aber eine Kerze stiften und entschuldige mich beim Universum. Mein Vertrauen in die Welt und die Menschheit ist beinahe vollständig wiederhergestellt. Bei mir geht das vielleicht sehr leicht, und genau so leicht lasse ich mich auch erschüttern , aber Hauptsache es wirkt. In dem Fall positiv.
Das hat zwar mit dem hl. Jakob nicht sehr viel zu tun, auch nicht mit Ortschaften, die nach ihm benannt sind... aber wer weiß, vielleicht doch. Zufälle gibt es nämlich nicht. Davon bin ich aber so was von überzeugt.
An einem anderen Tag sitze ich im Wirtshaus
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