Sind wir nun gluecklich
Foto nicht richtig befestigt hatte und bei der Kontrolle das des eigentlichen Karteninhabers zum Vorschein kam. Der Kontrolleur ließ sich auf keinen Handel ein, sosehr unser Mitbewohner auch beteuerte, der auf dem Foto sei er, er sehe nur dünner aus, weil es hier im Bus so eng sei.
Es half alles nichts, er wurde zur Busgesellschaft gebracht und sein unzivilisiertes Benehmen angeprangert, bis er die Nerven verlor und gestand. Zur Strafe wurde ihm von der Hochschule das Essensgeld für einen Monat gestrichen, und der Arme ernährte sich zwei Wochen lang von eingelegtem Gemüse.
Kung-Fu-Romane
In den späten Achtzigern wurden die Kung-Fu-Romane von Gu Long der große Renner. Keine Ahnung, wer sie als Erster von Bekannten oder Freunden angeschleppt hatte, denn sie waren sehr schwer zu bekommen, weshalb sich alle darauf stürzten und über dem Lesen sogar das Essen vergaßen.
Ein Set Romane bestand normalerweise aus vier oder fünf Bänden. Da sie durch viele Hände wanderten, bekam man sie nicht immer in der richtigen Reihenfolge zu lesen und musste sich glücklich schätzen, wenn man überhaupt einen Band erwischte, egal, ob es der nächste war.
Daraus ergab sich, dass man oft mit Band drei anfing, dann mit Band fünf weitermachte und so weiter, jeder hatte seine eigene Reihenfolge, und damit ergab sich für jeden Leser eine eigene Geschichte. Wer Jahre später die Gelegenheit hatte, alles noch einmal in der richtigen Reihenfolge zu lesen, bevorzugte bisweilen immer noch die, in der er die Geschichten kennengelernt hatte.
Dass wir alle so große Fans dieser Wuxia 36 -Geschichten waren, mag auch daran gelegen haben, dass die falsche Reihenfolge beim Lesen die Spannung noch zusätzlich erhöhte und die Fantasie anregte.
Die Langeweile vertreiben
Wir Studenten, insbesondere die der Geisteswissenschaften, waren damals nicht unbedingt alle begeisterte Leser. Wir waren oft sogar besonders unwillige Leser, was die offiziellen Textbücher und die seriöse Literatur betraf. Womit sich aber sonst die Zeit vertreiben? Wir waren jung und voller Energie, irgendwie mussten wir uns schließlich die Langeweile vertreiben, also kamen neben dem Fußballspiel noch zahlreiche andere Arten des Zeitvertreibs auf.
Mitte bis Ende der achtziger Jahre hielt das Mah-Jongg-Spiel quasi über Nacht in unserem Institut Einzug. Spielen war verboten, und die Steine wären von der Schule sofort beschlagnahmt worden, also begann ein ständiges Versteckspiel. Aber auch unter uns entstand Konkurrenz, weil jeder seinen Platz am Spieltisch behaupten wollte. Wer zum Essen ging, nahm deshalb manchmal ein paar Spielsteine mit, um seinen Platz nicht zu verlieren. Nach einer Weile wurde aber einfach nicht mehr darauf geachtet, und die anderen improvisierten das Spiel ohne die fehlenden Steine weiter.
Wegen der strengen Vorschriften des Studentenheims wurde abends zur Schlafenszeit das Licht abgeschaltet. Wir armen Mah-Jongg-Süchtigen hielten daher regelrechte Mah-Jongg-Happenings in den Toiletten des Wohnheimflurs ab, dem einzigen Ort, an dem es Licht gab. So stand manch einer zwischendurch am Urinal und drehte den Kopf, um die anderen anzuweisen: »Ich lege einmal die Fünf …«
Unser Einsatz waren die Essensmarken. Wer die Marken für einen ganzen Tag verloren hatte, sah ziemlich alt aus, aber meistens waren die Sieger so nett und gaben den Armen von ihrem Essen etwas ab.
Außer Mah-Jongg gab es auch noch das Trinken, aber mit wenig Geld in der Tasche konnte das kaum zur Gewohnheit werden, nur ab und zu gönnte man sich dies. Dennoch fanden sich immer wieder ein paar Kerle, die sich zum Wetttrinken herausforderten. Sie setzten sich mit der Flasche aufs Bett und tranken, bis der erste umfiel. Meistens lagen irgendwann beide im Koma, und wenn wir hingingen und die Flasche inspizierten, handelte es sich meist um medizinischen Alkohol.
Üblich war auch, einfach zu diskutieren und sich zu zanken. Kaum saßen drei zusammen, ging es los, und man argumentierte mit Nietzsche, Sartre oder Schopenhauer. Dazu brauchte es nicht viel, einer machte den Mund auf, und es fand sich gleich einer, der anderer Meinung war. Diese Philosophen waren damals groß in Mode, und ihre Bücher verkauften sich gut. Wer sich hier nicht auskannte, konnte nicht nur nicht mitreden, er hatte auch keinen Erfolg bei den Mädchen.
Ständige Langeweile bedeutete ständige Forderung der Kreativität. Noch bis kurz vor dem Examen waren die Studenten, die keine Lust auf das
Weitere Kostenlose Bücher