Sind wir nun gluecklich
Eindruck auf uns und sorgten noch tagelang für Gesprächsstoff. Selbst die hübschen Mädchen auf dem Campus ließen uns in diesen Tagen kalt.
Unsere Filmabende hatten aber noch eine andere Besonderheit. Wenn in unserer kleinen Versammlungshalle ein ausländischer Film gezeigt wurde, geschah die Synchronisation vor Ort, das heißt, er wurde simultan übersetzt. Ich erinnere mich vor allem an ein paar für die damalige Zeit bereits sehr rebellische sowjetische Spielfilme wie »Schuld und Sühne« oder »Die vergessene Melodie der Flöte«. Das Geschichtsbild dieser Filme und ihre Art, die Machtverhältnisse in Frage zu stellen, verursachten bei uns einen angenehmen Nervenkitzel. Die Übersetzerin war meistens eine Professorin, die alle Rollen gleichzeitig sprach. Sie war für uns ein Tor zu neuen Welten der Kunst.
An andere Filme außer diesen hervorragenden Werken kann ich mich schon nicht mehr erinnern. Aber es gab noch eine andere Art, Filme zu »sehen«. Am Wochenende blieben wir nach dem Aufwachen oft in unseren Wohnheimbetten liegen, schalteten das Radio ein und hörten uns »Hörspiele« an, die Filme in unseren Köpfen entstehen ließen. Wir lauschten den Stimmen der verschiedenen Rollen und ließen uns von ihrem Zauber inspirieren. Diese Hörspiele, die wir unter dem Namen »Xiangshou« kennen, sind heute so selten geworden wie die öffentlichen Badehäuser.
Alle reden über Politik
Es war in den achtziger Jahren praktisch unmöglich, sich als Student nicht mit Politik zu befassen und über politische Themen zu diskutieren. Es gab eine Fülle von ideologischen Schulen, und in akademischen Zirkeln machte man sich große Hoffnungen auf eine Reform des politischen Systems. Nach langer Zeit der politischen Kälte war zwar das Eis ein wenig geschmolzen, aber das hieß nicht, dass es nicht immer wieder gefrieren würde. Die von Deng Xiaoping verkündeten vier grundlegenden Prinzipien, zu denen die Bekämpfung des bürgerlichen Liberalismus gehörte, zählten zu den meistdiskutierten Themen der Epoche.
Es lag nahe, dass Studenten sich stark damit befassten. Zum einen gehörte es zu den Besonderheiten der Zeit, dass der lange Schatten der Politik stets über dieser Frühphase des Einzugs der Marktwirtschaft lag; über die Zukunft des Volks sprechen hieß über Politik sprechen. Zum anderen war der Existenzdruck auf die Studenten damals nicht so groß wie heute, und anders als jetzt war es unüblich, sich vor allem über Mädchen zu unterhalten. Ganz abgesehen davon wollten auch die Studentinnen damals politische Themen diskutieren. Und drittens gehört es zu den typischen Speerspitzen der Jugend, das zu bekämpfen, was sich als besonders zäh erweist. Außer den theoretischen Diskussionen gab es auch diverse politisch motivierte Kunstaktionen.
Am 8. August 1986, dem zehnten Jahrestag des Todes von Zhou Enlai, ging ich mit einer Gruppe von Studenten, in Armeemäntel gekleidet, zum Tian’anmen-Platz, zum Gedenken an den ehemaligen Premierminister, aber auch aus reiner Neugier. Wir waren noch nicht lange auf dem Platz, als uns schon die Zivilpolizei auf den Fersen war und jeden unserer Schritte beobachtete und sogar mit Camcordern filmte. Natürlich hatten wir sie bemerkt, aber obwohl wir nervös wurden und uns das Blut in den Adern anschwoll, setzten wir tapfer unseren Weg fort. Zurück an der Uni, machte uns das Gefühl, uns mit dem System angelegt zu haben, noch lange Zeit ganz euphorisch, und wir vergaßen darüber, dass wir für den Staat doch nur eine Gruppe von Kindern waren. Die politischen Diskussionen von damals lassen sich jedenfalls mit denen von heute nicht vergleichen.
Tanzveranstaltungen
Warum in den achtziger Jahren mit einem Mal Tanzveranstaltungen so modern wurden, weiß ich auch nicht mehr so genau. Unser Campus bildete da jedenfalls keine Ausnahme. Es war vor allem eine praktikable Art, mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu kommen. Anders als heute, wo es überall Stundenhotels gibt, aber weniger Tanzveranstaltungen.
Es gab keinerlei Restriktionen bei der Organisation dieser Tanzabende, an Wochenenden oder Feiertagen besorgte man sich einen Kassettenrecorder, stellte ihn in einem der Unterrichtsräume auf – und los ging’s. Auch die Ansprüche an die Beleuchtung waren nicht besonders hoch. Es gab im Grunde nur zwei Arten zu tanzen, entweder im Disco-Stil oder die zwei Schritte, die man auf jede Art von Musik tanzen konnte, nicht anders, als würde man auf der Straße spazieren gehen.
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