Sind wir nun gluecklich
als Vater, als Mutter, als Sohn oder Tochter, als Ehemann oder Ehefrau, als Vorgesetzter oder Untergebener, als Freund oder Feind, mit all diesen zwischenmenschlichen Fragen auseinandersetzen?
Aber wenn man dann auf dem Pfad des Lebens voranschreitet, immer weiter und weiter, kann man den roten Faden, den letzten Sinn des Lebens, nur vage erkennen, alles ist veränderlich, aber dass das Leben nun einmal wesenstypisch eine Einbahnstraße ist, daran lässt sich nichts machen. Daher stellen sich dann nach und nach Unsicherheit, Furcht, Zweifel und Pessimismus ein. Es bleibt bei den alten Fragen des menschlichen Bewusstseins: Woher komme ich und warum gehe ich immer weiter? Und wohin?
In unseren komplexen und komplizierten Zeiten ist es noch viel schwieriger geworden, sich als umtriebiger Mensch mit Fragen nach dem inneren Selbst und Ähnlichem auseinanderzusetzen. Trotzdem sind sie umso dringlicher. Wir alle brauchen eine Antwort darauf.
Je gründlicher wir darüber nachdenken, umso wichtiger erscheint es zu klären, worin die Herausforderung dieser drei Fragen an unser Leben besteht.
In den ersten zwanzig Jahren der vor mittlerweile über dreißig Jahren angestoßenen chinesischen Reformpolitik lagen unsere persönlichen Ziele im rein Materiellen, in der Sicherung eines gewissen Lebensstandards, gutem Essen und warmer Kleidung, darin, das Einkommen zu verdoppeln und zu vervierfachen. Die Lösung der Probleme zwischen dem Menschen und den Dingen war eine Frage des Überlebens. Und jeder Einzelne vertraute sein persönliches Glück den materiellen Gegenständen an, die in der nahen Zukunft auf ihn warteten.
Diese materialistischen Ziele haben sich für die meisten mit der Zeit erfüllt, aber die Chinesen stellen allmählich fest, dass das Glück sich nicht automatisch mit materiellem Wohlstand einstellt. Überall hört man Klagen, die hochrangigen Beamten beschweren sich genauso wie die kleinen Angestellten, die Armen beschweren sich und die Reichen nicht weniger. Es sieht aus, als ob alle zunehmend beunruhigt sind, aber nicht sagen können, woher dieses Gefühl der existenziellen Unsicherheit kommt. Es breitet sich aus wie eine Epidemie, bei der einer vom anderen angesteckt wird. Die Oberen bangen um die Sicherheit, weil sie Ärger aus dem Volk fürchten, während das Volk darum bangt, was die Oberen aushecken, ohne sich um das Wohl der kleinen Leute zu scheren. Die Reichen sind verunsichert und fragen sich, ob ihr Reichtum eines Tages nichts mehr wert sein wird. Und die Armen sorgen sich darum, ob sich die Situation für sie und ihre Kinder bessern wird. Und aus dieser grassierenden Angst und Unsicherheit heraus nimmt die Gewalt unter den Menschen rapide zu – was sie wiederum noch mehr verunsichert. Das Glück ist letzten Endes zu einem großen Problem geworden.
Und in diesem Moment kommt das Verlangen nach einer harmonischen Gesellschaft ins Spiel, das nichts anderes ist als die Suche nach einer Antwort, wie wir zwischenmenschliche Probleme lösen und uns bemühen können, dem Glück ein Stück näher zu kommen. Allerdings entstehen im Zuge dieser Bemühungen immer größere Herausforderungen.
Auf welche Weise sollen wir für ein Volk von 1,3 Milliarden Menschen die Frage nach unserem inneren Selbst beantworten? Gibt es einen gemeinsamen Nenner, grundlegende Wertvorstellungen, die im Kern dieser Masse von Menschen stecken? Wo liegt unsere geistige Heimat? Woran glauben wir? Glauben wir alle an den Renminbi?
Haben unsere Sorgen und Nöte, das Chaos und die Profitgier in unserer Gesellschaft nicht alle mit dieser Frage zu tun? Und hat nicht auch die Tatsache damit zu tun, dass wir offenbar alles haben – außer Glück?
Das Glück, das gegenwärtig zu unserem größten Problem geworden ist, ist gleichzeitig zur größten Herausforderung für unsere Zukunft geworden. Aber wo liegt das Glück? Diese Frage lässt sich momentan nicht beantworten. Sicher ist nur, dass wir uns ständig unglücklich fühlen.
Immer wieder sehen wir die Grundfesten dieser Gesellschaft erschüttert. Mal finden sich Melamine im Milchpulver, mal gesundheitsbedrohliche Pestizide im Gemüse. Nur weil es dem einen in den Kram passt, nimmt er anderen, mit denen er nichts zu tun hat, die Lebensgrundlage. Um Geld zu machen, wird in einem fort betrogen, es geht allein um den persönlichen Profit. Andere dienen bestenfalls als die Sprossen der Leiter, über die man auf dem Weg zum Erfolg steigen muss. Wer von Idealen redet, macht sich
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