Sind wir nun gluecklich
Ich weiß nicht, woher ich plötzlich die Energie nahm, aber für das Universitätseintrittsexamen stand ich einen Monat lang jeden Morgen früher auf, um mich auf den letzten Drücker noch so gut wie möglich vorzubereiten. Auch wenn damals um diese Examen lange nicht so viel Aufhebens gemacht wurde wie heute, waren sie dennoch eine große Sache. Mein Onkel leistete einen wichtigen Beitrag dazu: unzählige Päckchen mit Instantnudeln – das war damals ein wichtiges Motivations- und Stärkungsmittel zugleich.
Als die Examensergebnisse bekanntgegeben wurden, radelte ich selbst zur Schule, um mein Ergebnis abzuholen. Ich lag dreißig Punkte über dem Durchschnitt, also konnte ich hoffen. Aufgeregt raste ich nach Hause, wo mich schon meine Mutter und meine Großmutter vor der Tür erwarteten. Als ich ihnen mein Ergebnis mitteilte, waren die beiden Frauen vor Freude den Tränen nahe. Ich nutzte die Gunst der Stunde, sie um etwas Geld zu bitten und meine Mitschüler aufzusuchen. Meine Mutter war sofort einverstanden. Es war wohl das erste Mal, dass man meiner Bitte um Geld so ohne weiteres entsprach.
Dass meine erste Bewerbung an einer Hochschule dem Institut für Rundfunk und Fernsehen galt, war purer Zufall. Meine Mutter erhielt zu Neujahr Besuch von einer ehemaligen Schülerin, die jetzt im dritten Jahr am Rundfunk- und Fernsehinstitut studierte. Als sie erzählte, dass dort das Lesen von Unterhaltungsliteratur zum Unterrichtsprogramm gehörte und die Prüfungen relativ leicht zu bestehen waren, klang das für mich paradiesisch, und ich bewarb mich gleich dort.
Nachdem ich aufgenommen worden war, zeigte sich meine Mutter zunächst überrascht: Rundfunkinstitut? Mein Kind geht also auf die Fernsehhochschule, aber die ist doch gar nicht in Peking? Offensichtlich hatte sie das Pekinger Institut mit der Fernsehhochschule der Provinz verwechselt.
Es stimmt allerdings, dass das Pekinger Institut für Rundfunk und Fernsehen damals nicht besonders renommiert war, wir mussten uns die ersten Lorbeeren noch verdienen.
Geldbußen in Peking
Als Neuling in Peking war ich mit zahlreichen Vorschriften der Hauptstadt nicht vertraut, und man muss sagen, dass viele dieser Vorschriften undurchsichtig und willkürlich waren.
Einmal bummelte ich durch die Einkaufsstraße Wangfujing. Es gab einen Stand mit frischen gezuckerten Esskastanien. Ich kaufte mir eine Tüte und aß im Gehen. Ich aß und ließ die Schalen hinter mir, aber irgendwann hatte ich ein ungutes Gefühl. Als ich mich umdrehte, war mir eine alte Tante gefolgt; Mist, die gehörte wohl zur Straßenreinigung. Ich packte schnell die Esskastanien weg.
Sie sah mich meine Tüte wegpacken und sagte: »Du isst nicht mehr? Gut, dafür ist jetzt eine Buße fällig. Rück mal bitte eins fünfzig raus.«
Ich war perplex, aber die Alte blieb stur, und da ich nichts zu meiner Verteidigung vorzubringen hatte, musste ich ihr die 1,50 Yuan geben. Das war damals viel Geld, dessen Verlust mich noch lange Zeit schmerzte. Nun gut, ich hatte meine Lektion gelernt und wagte nie wieder, meinen Müll einfach so fallen zu lassen. Der Appetit auf Esskastanien war mir ohnehin vergangen.
Das Volk will satt werden
Als ich frisch an der Uni war, war das Essen aus heutiger Sicht alles andere als teuer, 35 Fen für einmal Gongbao-Huhn oder Fleisch mit Pilzen, und da war auch wirklich Fleisch drin. Schon als ich vier Jahre später von der Uni abging, kostete das gleiche Essen bereits 80 Fen, und das Fleisch konnte man mit der Lupe suchen.
Für uns junge Erwachsene bestand ein Essen aus einem Gericht und einer Schale Reis oder zwei Mantou, mehr konnten wir uns nicht leisten. Deshalb gehörte es zu den wichtigsten Talenten unserer Studienzeit, den Chef der Mensa dazu zu bringen, dass er unsereins etwas mehr auf den Teller tat. Da die Chefköche meistens Männer waren, hatten es die Kommilitoninnen, besonders die hübschen, etwas leichter, billig wegzukommen. Was nun aber wenig mit dem Zeitalter zu tun hatte, denn hübsche Frauen kommen eigentlich immer besser weg.
Selbst wenn man sich ein bisschen mehr erschleichen konnte, war das für uns junge Menschen immer noch zu wenig. In den vier Studienjahren war das Hungergefühl mein steter Begleiter. Nach dem Abendessen um kurz nach fünf schoben wir spätestens um neun schon wieder Kohldampf, konnten uns aber kein zusätzliches Essen leisten. Meistens musste uns ein gedämpfter Mantou reichen, den wir uns als nächtlichen Imbiss aufhoben. Aber so gut
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