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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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sich sein. Und wenn die Sendung auch noch einflussreich ist, dann gewinnt man sogar noch an Prestige.
    Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich damals als Produktionsmanager wegen Problemen mit diversen Filmbeiträgen erhitzt hatte. Das ging so weit, dass manchem Regisseur die Tränen kamen. Es gab aber auch genauso viel Aufbegehren vonseiten einiger nicht gerade hochrangiger Mitarbeiter, die mich bei Teamsitzungen mit ihrer Kritik sprachlos machten. Doch so war eben damals das Umfeld im Fernsehen, unter den Machern herrschte eine nie da gewesene Freiheit und Demokratie. Häufig ging man nur wenige Stunden nach einem großen Krach wieder zusammen essen und trinken, als wäre nichts gewesen.
    Kurze Zeit nach der Gründung der Sparte »Kommentar« bekam ich den Spitznamen »Bai Walesa«, der natürlich an den Namen des polnischen Gewerkschaftsführers angelehnt war. Damals kamen die Mitglieder der Sparte »Kommentar« von überall her, und »Oriental Horizon« glich einem Yan’an 6 . Aber mit den Leuten von außen kamen auch allerlei Probleme, es gab große Einkommensunterschiede, und etliche Mitarbeiter wurden innerhalb des Senders nicht als gleichberechtigt betrachtet. Es galt, ihre Interessen zu verteidigen.
    So ergriff ich die Initiative und gründete zusammen mit einer Gruppe jüngerer Kollegen eine Art losen Betriebsrat und verlangte Gespräche mit dem damaligen Spartenchef Ren Sunsheng und weiteren leitenden Funktionären, um über die Ungleichbehandlung zu diskutieren. Erstaunlicherweise standen Ren Sunsheng und die anderen unserem Häuflein Amateure ernsthaft Rede und Antwort und ließen sich auf einen konstruktiven Dialog mit uns ein. Obwohl beide Seiten in den Gesprächen ziemlich heftig stritten und auf den Tisch schlugen, war das Ergebnis, dass die Probleme im Anschluss nach und nach beseitigt wurden.
    Vielleicht ist es bei mir genbedingt, oder wir pflegten damals eine besondere Kultur, wie sie nur in einem speziellen Umfeld gedeihen kann – ich hatte jedenfalls innerhalb dieser zehn Jahre sehr oft derartige Konfrontationen mit Vorgesetzten, die an solche Auseinandersetzungen gewöhnt waren, und wir kamen alle gut miteinander aus. Wenn es um die Sache geht, hält man mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, und nach der Arbeit oder im Alltag ist die Sache gegessen. In einer solchen »moderat demokratischen« Atmosphäre erst wird die Gleichbehandlung, die in den Statuten der Sparte »Kommentar« als Schlüsselbegriff vermerkt ist, wirklich gewährleistet. Und wenn sie mit aller Selbstverständlichkeit eingefordert werden kann, muss niemand fürchten, dass ihm daraus irgendwelche Nachteile entstehen, ganz im Gegenteil. Wer immer schweigend zu allem Ja sagt und keine eigenständigen Ideen auf den Tisch bringt, wird irgendwann selbst übergangen.
    In den Jahren, die ich dem Sender angehöre, habe ich kein einziges Mal das Büro der verantwortlichen Intendanten – von Yang Weiguang bis Zhao Huayong – betreten. Denn meiner Meinung nach hatte ich dort nichts zu suchen, es genügte, mich zuverlässig meinen eigenen Aufgaben zu widmen, und das war’s. Genauso wenig habe ich jemals den Nachrichtendirektor konsultiert, es waren ausnahmslos die Direktoren, die mich aufsuchten. Ich bin meinen Vorgesetzten dafür sehr dankbar und halte an der Überzeugung fest, dass man am ehesten an Prestige gewinnt, wenn man seine Sache gut macht. Wenn das Umfeld es einem zu leicht macht und man nie auf Widerstand stößt, gelingt es eher weniger.
    Ich weiß nicht, wie und wann genau es begann, aber ich habe schon vor geraumer Zeit bemerkt, dass in unserer Abteilung die Streitkultur verschwunden ist, ewige Harmonie scheint in der Luft zu liegen, aber allen kommt es seltsam vor. Warum sind auf einmal alle so wohlerzogen? Wie sollen wir denn so bei unserer Arbeit Fortschritte machen?
    Genauso, wie die Leute sich heutzutage wehmütig daran erinnern, dass der Himmel früher einmal blau war, das Wasser klar, das Milchpulver verlässlichen Standards entsprach und man sich untereinander mehr geholfen hat, werden wir uns vielleicht einmal wehmütig daran erinnern, dass man in der Arbeit diskutieren konnte, bis die Gesichter rot anliefen, und man dadurch umso verlässlichere Freundschaften schloss, dass es allein von der eigenen Hingabe abhing, ob man seine Sache gut machte oder nicht, statt von Selbstgenügsamkeit; dass man die Wahrheit verteidigte und Harmonie nicht bedeutete, es dürfte keine Auseinandersetzungen geben, und man sich

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